Auf ein Wort mit … Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs

Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs wurde im Juli 2018 zum Professor für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Jena berufen. Er ist approbierter Mediziner, Zahnmediziner und Fachzahnarzt für Kieferorthopädie.

 

Sein Weg führte Professor Jacobs über die Universitätskliniken in Düsseldorf, München, Göttingen und Mainz nun nach Jena. Seine Schwerpunkte sind die klinische Forschung sowie die Zusammenarbeit der zahn-/medizinischen Disziplinen. Für ORTHO orofacial beantwortete Prof. Jacobs zehn Monate nach seinem Wechsel nach Jena einige Fragen.

ORTHO orofacial: Lieber Herr Professor Jacobs, Sie sind seit nun knapp einem Jahr Professor für Kieferorthopädie am Universitätsklinikum Jena. Sie waren angetreten mit der Idee, interdisziplinäre Behandlungskonzepte noch besser zu implementieren. Was konnten Sie bereits umsetzen / was ist seither entstanden bzw. am entstehen? Gibt es bereits interdisziplinäre Projekte in Jena?

Prof. Dr. Dr. Collin Jacobs: Wie im Flug ist nun schon fast ein Jahr vergangen und ich bin mehr als zufrieden mit der Entwicklung unserer Poliklinik. Gemeinsam mit den anderen Disziplinen konnten wir interdisziplinäre Projekte in den Bereichen Behandlung, Forschung und Lehre etablieren. Interdisziplinäre Behandlungskonzepte starten am Universitätsklinikum Jena nun schon in einer gemeinsamen Diagnostik und Planung der Patienten vor Beginn der Therapie. Dies betrifft sowohl die kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Fälle als auch die prä- und post-implantologischen Behandlungen. Besonders in der Behandlung erwachsener Patienten spielen die kieferorthopädisch-parodontologische Planungen eine große Rolle. Ebenso die gemeinsamen Konzepte mit der Zahnerhaltung und Prothetik.

Die Integration der Kinderzahnheilkunde in die Poliklinik der Kieferorthopädie hat die gemeinsame Beratung und Behandlung der ganz jungen Patienten optimiert. Kurze Dienstwege und der direkte Kontakt zu den verschiedenen Disziplinen ermöglichen nun eine moderne, patientenorientierte Zahnmedizin.

Das klingt tatsächlich nach zahlreichen Neuerungen, die den interdisziplinären Behandlungsansatz „leben“. Weshalb ist Ihnen der Austausch unter den zahn-/medizinischen Disziplinen so wichtig?

Professor Jacobs: Hinsichtlich der Patientenversorgung ist auch nach der gemeinsamen Planung ein regelmäßiger Austausch unter den zahn/-medizinischen Disziplinen sehr wichtig. Nur so können Behandlungsverlauf, Fortschritte und auch mögliche Komplikationen gemeinsam verfolgt und gelöst werden. Ebenso spielt der Austausch eine große Rolle für die Etablierung einer interdisziplinär geprägten, interaktiven Lehre für die Studenten. Die Studenten lernen, den Patienten aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und interdisziplinäre Konzepte zu erarbeiten. Der Begriff des „brain stormings“ spielt hier eine große Rolle.

Ein weiterer Aspekt liegt in der gemeinsamen Forschung. Sowohl im Bereich der Grundlagenforschung als auch in der klinischen Forschung ist der Austausch und die Nutzung des gemeinsamen „Know-hows“ hilfreich, um Synergien zu schaffen und Kompetenz zu bündeln.

Ihre Forschungsschwerpunkte lagen auf pharmakologischen, zellbiologischen und immunologischen Aspekten von Knochenerneuerung und Gefäßneubildung. Lassen Sie uns ein bisschen in die Zukunft blicken: Wie ist hier der Stand der Dinge, und wo wird die Reise in diesem Bereich hingehen?

Professor Jacobs: Wir erforschen die orthodontische Zahnbewegung auf Zellebene, um die molekularen Mechanismen der Zahnbewegung zu analysieren. Wichtige Aspekte stellen die entzündlichen Prozesse, die Gefäßneubildung und der Stoffwechsel der Parodontal- und Knochenzellen dar. Unser Ziel ist es, die Kommunikation der Zellen untereinander und die hierfür relevanten Botenstoffe der Zahnbewegung besser zu verstehen. Aufgrund der steigenden Anzahl erwachsener Patienten im Fach Kieferorthopädie interessiert uns der Einfluss von Allgemeinerkrankungen und Medikamenten auf den Zellstoffwechsel und deren Wechselwirkungen mit der mechanischen Belastung der Zahnbewegung.

Im Rahmen der translatorischen Forschung gilt es, diese Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung auf klinische Behandlungsschemata zu übertragen. Die Beschleunigung der Zahnbewegung und die Minimierung von Risiken wie Wurzelresorptionen stellen hier wünschenswerte Ziele dar. Die Anpassung der Behandlungssystematik aufgrund möglicher Allgemeinerkrankungen oder Medikamenteneinnahme beschreibt einen weiteren Aspekt der translatorischen Forschung.

Klinische Studien sind von enormer Wichtigkeit, um den Einfluss der kieferorthopädischen Behandlung auf den Zahnerhalt, die Gesundheit des Parodontiums und die Kaufunktion zu belegen. Der Fokus unseres Faches sollte zukünftig wieder mehr auf der medizinischen Notwendigkeit zur Behandlung von Fehlfunktionen als auf der Erlangung einer verbesserten Ästhetik liegen.

Erlauben Sie uns noch einen Blick in die Glaskugel: Was werden Ihrer Meinung nach die bedeutendsten Meilensteine moderner Kieferorthopädie sein? Wohin wird sich die Kieferorthopädie als Fach entwickeln?

Professor Jacobs: Die Digitalisierung wird unser Fach sehr beeinflussen und verschiedene Abläufe grundlegend verändern. Vieles wie das Erstellen von digitalen Abformungen und Modellen, aber auch die Planung und Herstellung Kieferorthopädischer Apparaturen haben sich schon jetzt grundlegend verändert. Als aktuelles Beispiel sei hier die Aligner-Technik genannt. Unser Ziel sollte es zukünftig sein, die klassische fundierte Diagnostik und die medizinische Betreuung der Behandlung mit der modernen digitalen Technik zu kombinieren. Hierfür ist es maßgeblich entscheidend, dass die Planung und Behandlung in ärztlicher Hand bleiben.

Herzlichen Dank, lieber Herr Professor Jacobs, für dieses interessante und offene Gespräch!


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