Mach mal Pause!

Unerwartete Effekte des Nichtstuns

Prof. Dr. Peter Kropp, Universitätsklinikum Rostock

(veröffentlicht in Ausgabe 4 | 2020)

Eine Pause zu machen ist oft Zeichen von Erschöpfung und körperlicher Ermüdung. So wird es auch in der Arbeitswelt kommuniziert; wer eine Pause macht, arbeitet nicht. Der Chef ist nicht erfreut, wenn er die Mitarbeiter pausieren sieht, weil ja nicht gearbeitet wird. Man könnte fast annehmen, dass das Einlegen einer Pause gleichbedeutend ist mit dem Verlust von Effizienz in der Arbeit.

Aber dem ist nicht so. Stellen Sie sich vor, Sie möchten lernen, mit drei Kegeln zu jonglieren und Sie haben das noch nie vorher gemacht. Sie müssten eine Zeitlang üben und würden durch die Übung immer besser werden. Würden Sie jetzt zum geeigneten Zeitpunkt eine kurze Pause einlegen, in der Sie definitiv nichts tun, dann wären Sie nach der Pause deutlich besser als unmittelbar vor der Pause. In eigenen Studien konnten wir zeigen, dass die Leistung beim Neulernen einer motorischen Aufgabe unmittelbar nach der Pause besonders groß war und dass nach einer Pause auf einem deutlich höheren Leistungsniveau angefangen wird im Vergleich zur Leistung vor der Pause. Ganz offensichtlich wurde während der Pause weitergelernt, was zu diesem unerwarteten Leistungszuwachs in der Phase des Nichtstuns geführt hat. Diese „Nachwirkung“ während der Pause wird als Reminiszenzeffekt bezeichnet und bezieht sich sowohl auf Pausen bei motorischen als auch bei mentalen Aufgaben. Also auch beim Neulernen von Wörtern bewirkt eine kurze Pause einen Leistungszuwachs, der ohne Pause nicht eingetreten wäre (Kropp 1992).

Vor knapp zehn Jahren wurde aus der Medizinischen Hochschule Hannover eine Publikation veröffentlicht, in der bei laparoskopischen Standard-Operationen in einer Gruppe mit Pausen (nach jeweils 25 Minuten OP-Zeit eine Pausenzeit von fünf Minuten) und in einer Gruppe ohne Pausen (konventionelle Gruppe) gearbeitet wurde. Die Chirurgen, die die Pausen eingelegt haben, schütteten dabei signifikant weniger Stresshormone aus, es gab weniger unerwünschte Ereignisse während der Operation, die Fehleranfälligkeit war dreimal niedriger als in der konventionellen Gruppe, das Team fühlte sich nach der Operation fitter und – völlig unerwartet – die Pausen führten zu keiner Verlängerung der Operationsdauer (Engelmann et al. 2011). Die Arbeit wurde also mit der Pause effizienter! Eine andere Arbeitsgruppe konnte später zeigen, dass „Mikro-Pausen“ von zwei bis vier Minuten Dauer, in denen kurz gereckt und gestreckt wurde, ebenfalls zu einer Leistungsverbesserung ohne OP-Zeit-Verlängerung geführt haben (Park et al. 2017).

Wie und wann sollte man nun eine Pause einlegen? Dann, wenn schon die ersten Ermüdungszeichen vorliegen, oder früher? Mittlerweile hat sich klar herausgestellt, dass eine Pause dann am effektivsten wirkt, wenn sich noch keine Ermüdung (motorisch oder mental) eingestellt hat. Wenn erst bei Ermüdung pausiert wird, nimmt der Reminiszenzeffekt ab. Außerdem sollte während der Pause keine andere mental anspruchsvolle Tätigkeit ausgeübt werden. Darunter würde auch das Checken von Mails oder Telefonieren fallen. Vorteilhaft wären einfache motorische Übungen (Hals strecken, Schultern bewegen, Extremitäten anspannen) – die übrigens an die Entspannungsübungen aus ORTHOorofacial 02/2020 erinnern lassen.

Also: Pausen bewirken positive Effekte. Vielleicht können Sie dies ja auch in Ihrer Praxis zwischen zwei Patienten und bei längeren Behandlungen nach einem Zeitplan während der Behandlung implementieren. Ihre Patienten werden es Ihnen danken.

Anleitung zum Pausieren:

  1. Pause nach festem Zeitplan, beispielsweise alle 30 Minuten, auch während der Behandlung
  2. Pause dann einlegen, wenn noch kein Bedarf dazu besteht
  3. Während der Pause einfache motorische Bewegungen ausführen, keine andere mentale Tätigkeit
  4. Pause für maximal 5 Minuten Dauer einlegen

Bildnachweis

Lars Zahner