Was Entspannung bewirken kann
Oder: Es müssen nicht immer Medikamente sein
von Prof. Dr. Peter Kropp, Universitätsklinikum Rostock
(veröffentlicht in Ausgabe 2/2020)
Entspannung ist eine altbewährte Methode zur Verminderung von Belastung und zur Schmerz-Distanzierung. Durch Entspannung wird der Kopf wieder frei und das Denken löst sich vom Grübeln hin zu eher positiven Inhalten. Doch was ist Entspannung, was bewirkt sie physiologisch und wie wendet man sie an?
Entspannung ist eine trophotrope Umschaltung des autonomen Nervensystems mit einer Stärkung der sogenannten „parasympathischen“ Anteile. Der Parasympathikus ist der Gegenspieler des Sympathikus und fördert regenerative Prozesse. Er „lädt“ den Körper in Ruhephasen auf, damit dieser bei Bedarf über den Sympathikus Energie zum Handeln abrufen kann. Damit wird deutlich, dass Entspannung neben Ruhe auch mit Regenerationsvorgängen im Körper einhergeht. Schon seit einigen Jahren ist bekannt, dass ein entspannter Körper besser mit Schmerzen umgehen und mehr Schmerzen ertragen kann. Eine besonders eindrucksvolle Studie wurde von Tracey et al. (2002) vorgestellt. Bei Freiwilligen wurde ein Hitzereiz von etwa 46 Grad Celsius am Arm gesetzt und man maß Zeitdauer und die genaue Temperatur, mit der die Stimulation ausgehalten werden konnte. Unter Entspannung oder Ablenkung wurde der Hitzereiz als signifikant geringer eingeschätzt. Gleichzeitig konnte man in der funktionellen Bildgebung eine stärkere Aktivierung im sogenannten „zentralen Höhlengrau“ im Tegmentum messen. Dies ist der Ort, an dem sich die körpereigene Schmerzhemmung befindet. Also: Entspannung mindert akute Schmerzen!
Wie wendet man nun Entspannung an? Es gibt eine Menge an Anleitungen zur Durchführung von strukturierten Entspannungsverfahren. Dabei hat sich sehr bewährt, bestimmte Muskelgruppen am Körper nacheinander leicht anzuspannen und dann wieder zu entspannen und besonders auf den Unterschied zwischen Anspannung und Entspannung wahrzunehmen. Diese Methode ist die „Progressive Muskelrelaxation“ nach Jacobson (PMR). Dies wird bei allen in Abbildung 1 angesprochenen Muskelgruppen durchgeführt und dauert zunächst etwa 20 Minuten. Wenn man dies täglich macht, vermindern sich typische Stresserkrankungen wie beispielsweise Kopfschmerzen. Der Effekt tritt aber auch nur dann ein, wenn man sich auch wirklich jeden Tag Zeit dafür nimmt. Nach etwa vier Wochen kann man in eine erste Kurzversion übergehen (ca. 10 Minuten Dauer), nach weiteren vier Wochen in eine zweite (ca. 4 Minuten Dauer). Diese zweite Kurzversion wird dann weiterhin einmal täglich durchgeführt. Wenn man dies wirklich über Wochen jeden Tag macht, kann man den Effekt der Entspannung über die Verminderung des Blutdrucks oder über wärmere Hände messen. Gleichzeitig ist man tatsächlich auch entspannter. Man ist verblüfft über diesen Effekt, zumal man sich nur Zeit zum täglichen Einüben schenken muss.
Entspannung bewirkt also nicht nur Ruhe, sondern auch eine bessere Schmerzhemmung und Reduktion von Stressreaktionen. Dies klappt aber nur dann, wenn Entspannung täglich durchgeführt wird. Vielleicht dies noch zur Evidenz: Die Wirkung von Entspannung auf die Besserung stressbezogener Erkrankungen steht der von Medikamenten in nichts nach! Nötig dazu ist lediglich eine konsequente Anwendung.
Prof. Dr. Peter Kropp
Direktor des Instituts für
Medizinische Psychologie und
Medizinische Soziologie
Universitätsmedizin Rostock
Gehlsheimer Straße 20
18147 Rostock
www.imp.med.uni-rostock.de
Literatur:
Meyer B, Keller A, Müller B, Wöhlbier HG, Kropp P. Progressive Muskelrelaxation nach Jacobson bei der Migräneprophylaxe. Klinische Effektivität und Wirkmechanismen. Schmerz 2018; 32:250–258.
Tracey I, Ploghaus A, Gati JS, Clare S, Smith S, Menon RS, Matthews PM. Imaging Attentional Modulation of Pain in the Periaqueductal Gray in Humans. J Neurosci. 2002;22(7): 2748–2752.
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