Wer sind die Patienten von morgen – und was brauchen sie?

Das dritte Think Lab der Initiative „Neustart!“ der Robert Bosch Stiftung untersucht, wie sich die Zielgruppen des Gesundheitswesens verändern.

(veröffentlicht in Ausgabe 1/2020)

Globale Megatrends verändern unsere Gesellschaft, betreffen alle Menschen und die Gesundheit. Die Experten des dritten Think Labs der Initiative „Neustart! Reformwerkstatt für unser Gesundheitswesen“ waren sich daher einig: „Den“ Patienten gibt es genauso wenig wie „den“ Bürger. Das Gesundheitssystem muss sich weiterentwickeln, um passende Lösungen für seine Zielgruppen zu finden, die zunehmend speziellere Bedürfnisse aufweisen. Um zukunftsfähige Ideen für das Gesundheitswesen zu diskutieren, hatte die Robert Bosch Stiftung Ende des letzten Jahres rund 20 Experten unterschiedlicher Fachrichtungen in die Berliner Hertie School geladen.

Zu den Einflussfaktoren, die unsere Lebensweise verändern, zählen demografischer Wandel, Migration, Klimawandel, Individualisierung, Digitalisierung sowie Bio- und Gentechnologie. „Diese Faktoren beeinflussen einander und verstärken sich zum Teil“, hob Mujaheed Shaikh, Professor of Health Governance der Hertie School, hervor. „Wir sind möglicherweise nicht in der Lage, für jeden Faktor oder seine Wechselwirkungen und seine Auswirkungen auf die Gestaltung und Bereitstellung der Gesundheitsversorgung vorherzusagen und zu planen. Aber wir können zumindest damit beginnen, vorauszudenken, das Gesundheitssystem so vorzubereiten und zu entwickeln, dass es flexibel genug ist, um zukünftige Probleme, wie sie auftreten, anzugehen und auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Menschen einzugehen.“

Der Einsatz Künstlicher Intelligenz kann die Gesundheitsversorgung verbessern

Obwohl der demografische Wandel mit Zunahme des durchschnittlichen Lebensalters die Gesellschaft längst prägt, sei die Gesundheitsversorgung noch immer nicht ausreichend auf ältere Patienten eingestellt. Dies betonte Professor Stefan Willich, Direktor des Instituts für Sozialmedizin, Epidemiologie und Gesundheitsökonomie der Charité. In Zukunft müsse man mit einer weiter steigenden Zahl von Menschen hohen Alters rechnen und damit auch mit der Zunahme von Phänomenen wie Multimorbidität, d.h. Auftreten mehrerer Krankheiten bei einer Person. Professor Willich berichtete von Ergebnissen einer Untersuchung in einem Pflegeheim, nach denen manche von Multimorbidität betroffenen Menschen mit zehn oder mehr Arzneimitteln gleichzeitig behandelt wurden. Die Polymedikation habe bei einigen Betroffenen zu Apathie geführt. „Als man bei ihnen die Medikamente absetzte, waren sie wieder wach und ansprechbar“, sagte Willich.

Bei der notwendigen Optimierung von Medikationen kann der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) helfen. „Gibt man alle verfügbaren Arzneimitteldaten in ein Programm ein, lassen sich nach Auswertung die bereits bekannten unerwünschten Wechselwirkungen von Medikamenten leichter erkennen und Fehlmedikation vermeiden“, betonte Willich. Von einem systematischen KI-Einsatz sei das Gesundheitssystem derzeit jedoch noch weit entfernt. „KI kann aber unsere Gesundheitsversorgung grundlegend verbessern“. Ziel sei es, mit KI das medizinische Personal von Standard-Aufgaben zu entlasten, um mehr Zeit für die Patientenzuwendung und Patientenversorgung zu gewinnen.

Engagement für chronisch Kranke sollte gestärkt werden

Besondere Aufmerksamkeit erfordern Zielgruppen mit starken Belastungen, etwa Menschen mit Behinderung und chronisch Kranke. Als Folge der steigenden Lebenserwartung nehmen altersassoziierte Krankheiten wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes mellitus, viele Krebserkrankungen oder Demenzen weiter zu. Daneben trägt der medizinische Fortschritt zur Zunahme der Prävalenz chronischer Erkrankungen bei. Die Zahl chronisch kranker Menschen, die in den vergangenen Jahren bereits gestiegen ist, wird also weiter zunehmen.

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