Digitaler Workflow in der KFO-Praxis
Über Intraoralscanner, Kanban-Boards, 3D-Druck und mehr
von Dr. Aneta Pecanov-Schröder, Bonn; Kathrin Schuldt, Hamburg
(veröffentlicht in Ausgabe 2/2020)
Die meisten Dentallabore in Deutschland sind bei ihrer täglichen Arbeit bereits digital aufgestellt, bei den Zahnärzten und Kieferorthopäden herrscht vielerorts noch vornehme Zurückhaltung. Einer, der den Schritt aus der Komfortzone schon vor einiger Zeit gewagt und nicht bereut hat, ist Kieferorthopäde Dr. Oliver Liebl aus Wertheim. Im Gespräch mit ihm erfahren wir, an welchen Stellen sich die Digitalisierung in der Praxis konkret umsetzen lässt, welche Erleichterungen ein gut abgestimmter digitaler Arbeitsablauf bringt und wo sich noch Hürden und Herausforderungen auftun.
„Computer und digitale Lebensbegleiter wie Smartphones, Tablets oder Smartwatches begeistern mich schon seit jeher. Vielleicht ist mir deswegen der Schritt in Richtung Digitalisierung leichter gefallen als manch anderem“, erzählt Dr. Liebl und hat bereits mit der Gründung der eigenen Praxis im Jahr 2005 alles auf „digital“ gesetzt – „zumindest soweit das damals möglich war. Angefangen habe ich mit digitalem Röntgen, digitaler Fotografie, digitaler Auswertung der Diagnostikunterlagen und natürlich einer digitalen Praxisverwaltungssoftware inklusive Terminverwaltung, Patientenkarteikarten, Unterschriftendisplays etc.“ Auch nach digital arbeitenden KFO-Laboren hat er sich zu dieser Zeit schon umgesehen und begonnen, mit CA DIGITAL, eclipsLingual oder Idealsmile zusammenzuarbeiten, „auch wenn wir immer noch die klassischen PVS-Abformungen und Gipsmodelle verwendet haben, die den Laboren dann zugesandt wurden.“ Mit der Anschaffung eines 3D-Modellscanners (orthoX, Dentaurum) im Jahr 2015 wurden in Liebls Praxis dann auch digitale Modelle erstellt. Etwa ein Jahr später folgte der In-traoralscanner (Omnicam Ortho, Dentsply Sirona) – damit wird heute täglich abgeformt.
Optimierte Prozesse in der Routine
„Der digitale Workflow erstreckt sich bei uns über alle Arbeitsfelder“, erklärt Dr. Liebl. Dabei versucht er stets, neue Ideen umzusetzen: „Zum Beispiel erfolgt die Patientenberatung bei uns mit klassischen Modellen und Musterzahnspangen, die zusätzlich mit RFID-Sensoren ausgestattet sind. Das hat den Vorteil, dass der Patient oder die Eltern die Zahnspange haptisch „begreifen“ können. Durch einen auf RFID-Sensoren gespeicherten Link lassen sich so während der Beratung an einem Tablet oder Smartphone gleichzeitig entsprechende Videos aufrufen.“ Nach der Beratung bekommen die Patienten von Dr. Liebl ein ausgedrucktes Gesprächsprotokoll und eine E-Mail mit Protokoll im PDF-Format und entsprechende Links zu Videoanimationen.
Kieferorthopäde Liebl zählt auf: „In unserer Praxis haben wir bis heute folgende Abläufe optimiert und komplett digitalisiert: Patientenakte, Abrechnung, Dokumentation, digitales Röntgen, 3D-Modellscan (nur noch zum Zweck der Archivierung), 3D-Intraoralscan, 3D-Modelldruck, digitale Schnittstellen zu unseren Laborpartnern (wir verwenden keine PVS-Abformungen oder Gipsmodelle in Zusammenarbeit mit Fremdlaboren), digitale Analysen und Fallplanung, digitales Setup (diagnostisch und für die Alignertherapie), digitales Design von CAD/CAM-Apparaturen (SLS-GNEs, SLS-Maras…) sowie die digitale Dokumentation der Hygiene- und Sterilisationsprozesskette, inklusive Chargendokumentation über installierte Barcode-Scanner am Behandlungsstuhl.“
Auch für die Steuerung und das Management der digitalen Prozessketten wie Scannen, Importieren der Daten in die CAD/CAM-Software, die Weiterverarbeitung der 3D-Daten bis hin zum 3D-Druck gibt es eine digitale Lösung: mit Hilfe eines Kanban-Boards mit Cloudlösung behalten alle den Überblick über den Status der gerade laufenden Arbeitsprozesse. (s. Abb. 1)
„Darüber hinaus haben wir ein praxisinternes Intranet mit individualisierten Inhalten, z. B. Patienten-Aufklärung, Demonstrationsvideos, Sicherheitsdatenblätter, Workflowbeschreibungen, Links zu unseren Partnerlaboren oder dem Link zum Kanban-Board. Außerdem tüfteln wir fleißig weiter, um digitale Workflows noch weiter zu optimieren oder Wege zu verkürzen“, erzählt Dr. Liebl nicht ohne Stolz.
Das A und O: Der passende Intraoralscanner
„In einer modernen kieferorthopädischen Praxis sind für mich ein vernünftiger Intraoralscanner und ein 3D-Drucker plus entsprechende Software (z.B. Onyx, Mark3D) unverzichtbar“, konstatiert Liebl. „Scanner, Drucker und Software sind ein integraler Bestandteil unserer täglichen Arbeit und ich muss mich auf diese Geräte inklusive Software zu 100 Prozent verlassen können. Genauigkeit, Schnelligkeit und einfache Handhabung sind vor allem bei delegierbaren Arbeitsschritten wichtig. Aus diesem Grund verwenden wir Intraoralscanner und 3D-Drucker, die auf kieferorthopädische Tätigkeiten ausgelegt sind.“
Natürlich gebe es auch günstigere Scanner und Drucker, räumt der digital erfahrene Kieferorthopäde ein, „aber schlussendlich kommt es für mich auf ein funktionierendes und verlässliches Gesamtpaket an.“ Dabei ist für ihn die Arbeit mit offenen Systemen unverzichtbar, die STL-Dateiformate exportieren, importieren und verarbeiten können. Dr. Liebl resolut: „Das gilt auch für die Laborpartner, denn ein Labor, das nicht die Möglichkeit anbietet, dieses Dateiformat zu verwenden, scheidet für mich rigoros aus!“
Es gibt noch große Unterschiede zwischen den am Markt erhältlichen Intraoralscannern. Wie findet man das passende System? Schließlich kommt es in erster Linie darauf an, einen optimalen Ausgangspunkt für eine präzise digitale Prozesskette zu schaffen. „Für mich war das wichtigste Entscheidungskriterium die große Erfahrung, die Dentsply Sirona durch das CEREC-System bereits hat. Deshalb habe ich mich für Omnicam und Primescan Ortho 2.0 entschieden“, erklärt Liebl. „Vor allem die Scangeschwindigkeit begeistert: ein Durchschnittsscan von Oberkiefer und Unterkiefer dauert etwa fünf bis acht Minuten. Das schätzen Anwender wie Patienten. Wichtig war für mich auch die Einfachheit der Benutzung, denn alle Mitarbeiter in der Behandlungsassistenz sollen scannen. Gerade bei Primescan Ortho war die Einarbeitungszeit extrem kurz.“ Auch hinsichtlich der Abweichungstoleranz ist er zufrieden, wünschenswert wäre aber eine noch bessere Integration in die Praxismanagementsoftware.
Die digitale Abformung ist nicht nur benutzer- und patientenfreundlich (es treten weder Würgereiz …
Sie möchten den kompletten Artikel lesen? Dann abonnieren Sie unser Magazin ORTHOorofacial im Jahresabonnement und lesen diesen Artikel online nach.
Bildnachweis
<sup>®</sup>davit85 – stock.adobe.com