Scannen? Ja, aber womit?

Scannen in „3D“ ist heute in vielen kieferorthopädischen Praxen bereits zum Alltag geworden. Dabei unterscheiden sich Verfahren und Geräte erheblich, die Auswahl ist riesig. Ein unübersichtlicher Markt?

Wir haben uns für Sie auf der IDS ein wenig umgesehen und drei Kollegen gebeten, ihre Erfahrungen zu Scannern aus den Häusern Carestream, Denstply Sirona und iTero für Sie aufzuschreiben. Alle drei Kollegen haben sofort und spontan zugesagt, dafür herzlichen Dank! Um der Transparenz genüge zu tun: Alle Kollegen sind auch Referenten der jeweiligen Unternehmen. Doch: Erfahrungsberichte sind immer subjektiv. Lesen Sie also hier, wie die neuen Scanner ankommen:

Dr. Joachim Weber, Kieferorthopäde in Ludwigshafen, testet den CS 3600 von Carestream
In unserer Praxis hat dieser Weg begonnen mit der Einführung eines Digitalen Volumentomographen Carestream CS 9300 vor vier Jahren. Dieses Gerät scannt sowohl Abdrücke direkt oder Modelle einzeln oder auch paarweise. Vor diesem Hintergrund war es interessant, auch einen intraoralen Scanner zu vergleichen. Vor einem Jahr haben wir unser Portfolio daher um einen Carestream 3600 Intraoralscanner erweitert.
Im Hinblick auf Scangeschwindigkeit und -zuverlässigkeit, sowie das Software Angebot gab es aus unserer Sicht keine wirkliche Alternative. Insbesondere die offenen Daten Schnittstellen und der Vorteil nicht dauerhaft Lizenzgebühren zahlen zu müssen sprachen für den CS 3600.
Es ist uns zudem für die Apparaturen-Planung (Alignerplanung, indirekte Klebetrays usw.) wichtig, im Molarenbereich eine zuverlässige transversale Breite beim Scan zu erhalten. Dies ist beim CS 3600 absolut gegeben. Vielleicht aus Gewohnheit erscheint es uns nach wie vor schneller, das Scanverfahren von Abdrücken oder Gipsmodellen durchzuführen. In jedem Fall ist dabei die Verweildauer des Patienten auf dem Stuhl geringerer. Modelle sind dabei in der Genauigkeit den Abdrücken etwas überlegen. Allerdings fällt hierbei natürlich nach wie vor der Prozess einer Modellfertigung im Labor an. Sofern Modelle später für das Herstellen von Apparaturen erforderlich sind, erachten wir dies als nicht weiter tragisch. Die gescannten Modelle dienen der Archivierung, die Gipsmodelle werden im Arbeitsprozess genutzt.
Der Vorteil des intraoralen Scannens besteht vor allem in der direkten Verfügbarkeit der 3D Bilder. Direkt im Anschluss nach der Aufnahme kann mit dem Patienten das Ergebnis begutachtet werden. Da Carestream zudem ein automatisiertes Setup sofort zur Verfügung stellt, ist dies meistens eine gute Grundlage für die Patientenkommunikation. Auch der Farbübergang rot zu weiß, Zahn zu Zahnfleisch, ist bei der Erkennung und Freistellung der Zahnkronen in der Software gelegentlich hilfreich: bei einem flau abgeformten Sulcus ist

dieser am Modell nicht immer deutlich zu erkennen.
Selbstverständlich ist es von Vorteil, sofern daraus später Arbeitsmodelle gedruckt werden sollen, dass der intraorale Scan auch blasenfrei ist.

Dafür ist andererseits die Umschlagfalte mit den Bandansätzen nicht immer zweifelsfrei abgeformt. Die Abformung des Gaumens gelingt jedoch regelmäßig problemlos. Dies haben wir bei anderen Scannern auch nicht immer so gesehen. Selbstverständlich gelingt auch hier der Scan puderfrei.
Obwohl die 3D Welt längst Einzug gehalten hat, bleiben die Prozesse dynamisch. So hat auch Carestream auf der IDS in Köln erneut eine neue Generation das intraoralen Scanners angekündigt. Auch die Software ist in permanenter Weiterentwicklung. Speziell für die Kieferorthopädie werden die Module im Bereich Modell- und Röntgenverarbeitung ständig weiterentwickelt.


» Im Hinblick auf Scangeschwindigkeit und -zuverlässigkeit, sowie das Software Angebot gab es aus unserer Sicht keine wirkliche Alternative. «
Dr. Joachim Weber


 

 

Dr. Oliver Liebl, Kieferorthopäde in Wertheim, testet die Primescan von DentsplySirona
Als sogenannter „early adaptor“ habe ich mich schon sehr früh in meiner Praxis mit dem Thema der Digitalisierung und des digitalen Workflows in der Kieferorthopädie intensiv auseinandergesetzt.
Ein wesentlicher Vorteil ist die verlustfreie Weiterverarbeitung der digitalen „Rohdaten“. Das soll heißen, dass alle Kopien der Ausgangsdaten dem Original 1:1 entsprechen und auch alle Schritte der digitalen CAD-Planung, wieder rückgängig zu machen sind. Die Präzision und Richtigkeit der Aufnahme der Ausgangsmodelle ist im gesamten Arbeitsprozess essentiell für die Genauigkeit des gesamten CAD/CAM- Prozesses. Aus diesem Grund nimmt für mich die Aufnahmeeinheit – der Intraoralscanner – den höchsten Stellenwert im digitalen Workflow ein.
Im Rahmen meiner Referenten- und Beratungstätigkeiten hatten wir die Gelegenheit, die Primescan von DentsplySirona in unserer Praxis 14 Tage klinisch auf „Herz und Nieren“ für den kieferorthopädischen Alltag zu testen. Was soll ich sagen? Ich bin „von den Socken“.
Den ersten Scan habe ich direkt bei mir selber durchgeführt. War ich es gewohnt, beim Scannen Wangenabhalter zu verwenden, auf ein relativ trockenes Scangebiet zu achten und feste Scanpfade einzuhalten, so war es mir mit der Primescan möglich, ohne Wangenhalter, Assistenz und Einhaltung von Scanstrategien einen perfekten Scan innerhalb kürzester Zeit durchzuführen.
Scanzeit:
Am auffälligsten ist die Geschwindigkeit des Intraoralscanprozesses. Ein Oberkiefer-/Unterkieferscan mit der Primescan ist im klinischen Alltag tatsächlich schneller als eine Alginatabformung. Die Berechnung der 3D-Modelle findet schon während des Scanprozesses statt, so dass auch schneller mit der Nachbearbeitung und dem Export der Modelle begonnen werden kann.


Wann ist der richtige Zeitpunkt, in den digitalen Workflow einzusteigen? „Gestern“, befinden unsere Tester. Und haben damit vermutlich gar nicht unrecht. Doch welches sind entscheidende Kriterien für die Wahl des
„richtigen“ Scanners? Hier einige Aspekte:

  • Scanzeit
  • Scankopf (Größe, Handling)
  • Zuverlässigkeit
  • Genauigkeit (Richtigkeit und Präzision)
  • Service
  • Benutzerfreundlichkeit
    (Handling, Desinfektion, Exportmöglichkeiten)
  • Datensicherheit
  • Offene .STL Dateien (ohne Zusatzkosten)?
  • Anschaffungspreis
  • Fortlaufenden Lizenzgebühren?
  • Und die wohl entscheidende Frage:
    Wofür genau möchten Sie den Scanner verwenden?

Genauigkeit:
Natürlich kann ich als „Kliniker“ außer subjektiven Empfindungen keine Angaben zur Richtigkeit und Präzision geben. Ich möchte in Fragen zur Genauigkeit auf die Publikation von Prof. Dr. Dr. Mehl et al. „Accuracy of complete- and partial-arch impressions of actual intraoral scanning systems in-vitro” der Universität Zürich verweisen (Int J Comput Dent. 2019;22(1):11-19). Die im Testzeitraum erstellten Scans konnten alle zur Herstellung von Alignern (Suresmile® und in House Aligner), SLS-gefertigten GNEs und für CAD/ CAM-Retainer (Memotain®) problemlos verwendet werden, sämtliche Apparaturen passten perfekt. Erwähnenswert für uns Kieferorthopäden ist, dass mit der Scantiefe von 20 mm auch die Umschlagsfalte, Bandansätze und der Gaumen einfach und genau dreidimensional erfasst werden.
Benutzerfreundlichkeit:
Herausragend ist die Benutzerfreundlichkeit; die Software ist sehr übersichtlich gestaltet und selbsterklärend, das Trackpad ist mit Hilfe von Desinfektionstüchern einfach zu reinigen. Für mich aber entscheidend in puncto Benutzerfreundlichkeit: Die Primescan ist ein zertifiziertes Medizinprodukt und darf direkt am Behandlungsstuhl betrieben werden. Bei Scannern die einen externen Rechner benötigen ist zu beachten, dass dieser mindestens 1,5 m vom Patienten entfernt stehen muss.Zusammenfassend lässt sich für mich und meinen digitalen Workflow feststellen, dass die Primescan nicht nur ein einfaches Update der Omnicam ist, sondern den Bereich der Intraoralscanner auf ein neues Level hebt. Gerade in der Kieferorthopädie kommt es auf eine hohe Scanperformance, Genauigkeit im Bereich des Ganzkieferscans, einfache

Handhabung und gute Exportmöglichkeiten an. Genau in diesen Bereichen hat die Primescan für mich die Nasenlänge Vorsprung. Ein zukunftsfähiger Hochleistungsscanner der im klinischen Alltag einfach zu integrieren ist und den ich nach dem Testen direkt bestellen musste.


» Wir haben die Primescan zwei Wochen auf Herz und Nieren getestet. Und ich muss sagen: Ich bin von den Socken. «
Dr. Oliver Liebl


 

Dr. Peter Schicker, Kieferorthopäde in Bergisch-Gladbach, testet den iTero 1, 2 und flex
Seit langem beschäftigen wir uns mit der Digitalen KFO-Praxis und dem komplett digitalen Workflow. Für mich persönlich gibt es da gar keine Frage: Es ist nicht die Zukunft, die digital wird. Es ist bereits die Gegenwart. Natürlich kommt dem Scanner im Workflow eine ganz zentrale Bedeutung zu. Und hier ist der Markt derzeit wirklich … riesig. Die Entwicklung auf diesem Gebiet ging in den letzten Jahren rasend schnell, was uns als Anwender heute einen großen Vorteil bringt: Es gibt eigentlich keinen wirklich schlechten Scanner auf dem Markt, den müssten Sie schon suchen.
In unserer Praxis arbeiten wir mit drei Scannern: dem iTero 1, 2 und flex. Den iTero 5 haben wir ebenfalls ausprobiert – allerdings ist für unsere KFO-Praxis die Kariesdiagnostik eher von untergeordneter Bedeutung. Insofern ist mein klarer Favorit der iTero2. Gerne fasse ich zusammen, warum.
Zunächst zum Grundsätzlichen: Er ist einfach ein sehr, sehr guter Scanner. Mit etwas Übung gelingen jedem nahezu perfekte Scans – gepaart mit einer sehr hohen Scangeschwindigkeit. Anfangs war ich etwas skeptisch, wegen des doch größeren Scankopfes. Mittlerweile hat jedoch auch der Wettbewerb nachgezogen, die Größe der Köpfe ist heute nahezu überall die gleiche. Und ich habe einen entscheidenden Vorteil entdeckt: Dank des größeren Scankopfs entfällt der Wangenabhalter.
Wenn Sie, wie ich, Invisalign-Anwender sind, kommt die perfekt abgestimmte Performance zum Tragen: In Sekundenschnelle sind die Daten vom Scanner geladen und können über den Outcome- Simulator dem Patienten gezeigt werden. Ein Riesenschritt zu noch mehr Patientenmotivation! Nicht nur zu Beginn der Behandlung, sondern auch währenddessen nutze ich dieses Tool immer wieder: Der Patient kann sehen, welche Veränderung sich warum einstellt – und wo er die Schienen vielleicht doch zu wenig getragen hat. Ich als Behandler kann so jederzeit prüfen, wie die als nächstes geplanten Aligner passen.
Apropos passende Aligner: Egal, ob ich das Angebot von Invisalign nutze oder die Schienen mit den durch den iTero2 gewonnen Daten selbst fertige: die Aligner passen immer perfekt! Und – ich nutze den Scanner nicht nur für Schienen: Zur Herstellung einer gegossenen Gaumennahterweiterung gehen die Daten ans Fremdlabor, und auch dort gab es noch nie Probleme. Im Gegenteil: die Apparaturen passen heute besser und sind exakter als mit Alginatabdrücken.
Ein für mich ebenso entscheidender Aspekt: Der wirklich hervorragende Service. Sie müssen wissen, ich bin sowas wie ein „Montags-Geräte-Käufer“. Das passiert mir immer: Beim Auto, beim

Fahrrad – und sogar beim Scanner. Doch als ich das bemerkte, hatte ich innerhalb von 48 Stunden Ersatz in der Praxis stehen. Keine Diskussionen, keine Bürokratie.
Und ich möchte mit einem weiteren Vorurteil aufräumen: Die Frage der Datensicherheit. Ja, der Server von iTero steht natürlich nicht hier um die Ecke. Es bleibt aber völlig Ihnen überlassen, die Daten auch einfach bei sich in der Praxis zu speichern.

Mein Fazit: Für mich als Invisalign-Anwender gibt es keine bessere Alternative. Handling, Performance, Gesamteindruck – ich würde diesen Scanner immer wieder kaufen.


» Für mich als Invisalign-Anwender gibt es keine bessere Alternative – aber auch für selbst gedruckte Schienen ist der iTero2 perfekt. Ich würde ihn immer wieder kaufen. «
Dr. Peter Schicker


 

Dr. Peter Schicker bietet Kurse zum Digitalen KFO-Workflow an:
28.06.2019 Köln
11.10.2019 Frankfurt
29.11.2019 Nürnberg
Weitere Details und Infos unter www.kfo-wissen.de


Bildnachweis

Carestream
Dentsply Sirona