Angestellt im eigenen MVZ?

Nach BSG-Urteil nur noch mit Einschränkungen!

RAin Anna Stenger, Kanzlei Lyck+Pätzold

 

Das Bundessozialgericht (BSG) hat im vergangenen Jahr eine weitreichende Entscheidung (Az. B 6 KA 2/21 R) zur Möglichkeit der Anstellung von Gesellschaftern im eignen MVZ getroffen. Nach diesem BSG-Urteil ist es geschäftsführenden Gesellschaftern nur noch mit Einschränkungen möglich, in ihrem eigenen MVZ als angestellte Ärzte tätig zu sein. Das BSG stellte klar, dass eine Anstellungsgenehmigung beim Zulassungsverzicht zugunsten einer Anstellung im MVZ in einem gesperrten Planungsbereich nur erteilt werden kann, wenn der betreffende Arzt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis in dem MVZ anstrebt.

Die entscheidende Frage: selbständig oder abhängig beschäftigt?

Die Beurteilung, ob eine Anstellung im eigenen MVZ zulässig ist, richtet sich vor allem nach dem Status des angestellten Arztes als abhängig Beschäftigter im sozialversicherungsrechtlichen Sinne. Soweit der Arzt über seine Gesellschafterposition eine derart beherrschende Stellung besitzt, dass er arbeitsrechtlich nicht mehr als weisungsgebunden und somit als abhängig beschäftigt angesehen werden könne, könne keine Anstellungsgenehmigung erteilt werden.

Reichweite der Entscheidungsmacht als Gesellschafter von Bedeutung

Entscheidend ist daher die Reichweite der Einflussnahme des Arztes als Gesellschafter im MVZ. Nach Ansicht des BSG können auch Gesellschafter-Geschäftsführer abhängig beschäftigt sein, wenn sie nicht die Rechtsmacht besitzen, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft zu bestimmen und damit die eigene Weisungsgebundenheit als Angestellte der Gesellschaft aufzuheben. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall waren hingegen beide Ärzte Geschäftsführer und zu gleichen Teilen an der Gesellschaft beteiligt und konnten – da Beschlüsse der Gesellschaft der Einstimmigkeit bedurften – ihnen nicht genehme Beschlüsse und Weisungen verhindern. Legt man die Grundsätze der Entscheidung zugrunde, ist eine Anstellung im eigenen MVZ daher nur noch dann möglich, wenn der Arzt als Gesellschafter-Geschäftsführer keine Rechtsmacht besitzt, die über Geschicke der Gesellschaft und seine Weisungsgebundenheit als Angestellter bestimmen zu können. Nur ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der keine Entscheidungsmacht besitzt, kann danach zukünftig eine Anstellungsgenehmigung für eine Tätigkeit am eigenen MVZ erhalten.

BSG-Urteil gilt gleichermaßen für MVZ als GbR und GmbH

Dabei ist es nicht von Bedeutung, ob das MVZ in der Rechtsform der GmbH oder der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben wird. Nach der Rechtsprechung besitzt der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über seine Gesellschafterstellung hinaus die Rechtsmacht, durch Einflussnahme auf die Gesellschafterversammlung die Geschicke der Gesellschaft bestimmen zu können, in jedem Fall bei einem Anteil von mindestens 50 v. H. der Anteile am Stammkapital gegeben. Diese für den GmbH-Geschäftsführer entwickelten Grundsätze gelten auch (erst recht) für den Gesellschafter-Geschäftsführer einer GbR, so das BSG.

Tätigkeit als Vertragsarzt am MVZ ist nicht betroffen

Die Tätigkeit als Vertragsarzt im eigenen MVZ wird durch diese BSG-Entscheidung nicht beschränkt. Es ist daher nach wie vor möglich, dass Vertragsärzte im MVZ als Freiberufler tätig werden und ihren Status als zugelassener Vertragsarzt beibehalten. 

Steuerliche Auswirkungen des Vertragsarztes am MVZ sind ungeklärt

Bislang nicht abschließend geklärt sind jedoch die steuerlichen Auswirkungen, wenn Vertragsärzte ihre Praxis im Zuge der MVZ-Gründung in die MVZ-Gesellschaft ein­-
bringen, ihre Zulassung jedoch behalten. Konkret geht es darum, ob die Zulassung eine funktional wesentliche Betriebsgrundlage bzw. ein Wirtschaftsgut darstellt. Auswirkungen hat dies auf die Frage, ob im es im Zuge der Einbringung der Praxis zu einer Aufdeckung aller stiller Reserven kommt.

Bedeutung des Urteils für die Nachfolge bleibt ebenfalls offen 

Zudem entstehen sozialrechtliche Folgefragen, die das BSG in seiner Entscheidung nicht beantwortet hat. Es ist zwar von einem Bestandsschutz für bereits erteilte Anstellungsgenehmigungen bei Gesellschafter-Geschäftsführern auszugehen, doch wie verhält es sich, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer ausscheidet und seine Anteile auf einen Nachfolger übertragen möchte, der ebenfalls als Angestellter im MVZ arbeiten möchte? Ob eine Nachfolge auf diese Weise möglich bleibt oder die betreffende Arztstelle des MVZ zunächst in eine Zulassung rückumgewandelt werden muss, bleibt offen.

Praxistipp

Das BSG-Urteil macht die Gründung eines MVZ komplexer und es muss für die Gründung mehr Zeit eingeplant werden. Durch die zahlreichen Folgefragen, die mit dem Urteil einhergehen ist eine frühzeitige Planung sowie rechtliche und steuerliche Begleitung unerlässlich. 

 


 

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