Auf ein Wort mit Stavros Avgerinos

Zahnarzt, Sportzahnarzt, Mitglied des Corona-Krisenstabes der Stadt Oberhausen und Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin (DGSZM)

Im vergangenen Jahr sprachen wir mit Stavros Avgerinos über die Auswirkungen der Pandemie, seine Erfahrungen im Corona-Krisenstab und über seine persönliche Einschätzung zur IDS, die damals noch fürs Frühjahr 2021 geplant war. Stavros Avgerinos ist aber auch Sportzahnarzt und Ehrenpräsident der DGSZM. So entstand aktuell ein Gespräch über seine Aufgaben im Verband, über die Herausforderungen der Sportzahnmedizin und über die Möglichkeiten der Zukunft.

Lieber Herr Avgerinos, Sie sind als APW Dozent an der Ausbildung von Sportzahnärzten beteiligt, die das Curriculum der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin (DGSZM) durchlaufen. Im Januar 2021 startete dieses erstmals online. Wie ist die Resonanz der Kollegen auf dieses Format? Und wie sind die ersten Erfahrungen?

Stavros Avgerinos: Auch in Pandemiezeiten wird die DGSZM selbstverständlich ihrem Auftrag als wissenschaftliche Fachgesellschaft der DGZMK, gemeinsam mit der Akademie Praxis und Wissenschaft, gerecht. Nach einer kurzen Anpassungsphase mit Terminverschiebungen und auch einem Kursortwechsel nach Frankfurt haben wir uns entschlossen, unsere Basis am Josephplatz in Nürnberg technisch so auszurüsten, dass wir unsere erfolgreichen und begehrten Curricula auf technisch höchster Ebene mittels Online-Streaming durchführen können. Ich selbst hatte die Gelegenheit, beim Start des 10. und 11. Curriculums zu referieren und kam in den Genuss der Nutzung der regiegeführten Kamerasysteme, der exzellenten Tontechnik und des Kommunikationsbildschirms für die Live-Einblendung der Zwischenfragen der Kursteilnehmer.

Die Resonanz aus dem Kollegenkreis ist durchweg positiv. Ich habe den Eindruck, dass viele einfach nur dankbar sind, dass uns in diesen kuriosen Zeiten mit der Gewährleistung der fachlichen Fortbildung doch ein Stück Normalität erhalten bleibt.

Nichtsdestotrotz sehnen wir uns alle nach der Rückkehr zu Präsenzveranstaltungen mit der weitaus besseren Möglichkeit, uns unter Kollegen näher kennenzulernen, uns auszutauschen und die besonders für unsere Fachdisziplin notwendigen Netzwerke zu knüpfen. Ich vermisse besonders die feucht-fröhlichen Nächte freitags beim „Get together und Stars zum Anfassen“ nach dem ersten Kurstag und die Kopfschmerzen am Samstag um 9 Uhr im grellen Licht des Kursraums.

Die Sportzahnmedizin verfolgt einen klassisch interdisziplinär angelegten Ansatz. Welche Disziplinen spielen hierbei eine besondere Rolle?

Avgerinos: Diese Frage lässt sich ganz einfach beantworten: ALLE – und zwar auf höchster Ebene. Sportliche Hochleistungen setzen heutzutage höchste Anforderungen an das Betreuungsteam. Wenn wir Zahnärzte ein Teil dieses Teams sein wollen, dann müssen wir in allen Teildisziplinen evidenzbasierte Diagnostik und Therapie abliefern, die immer auf dem neuesten Stand auf internationaler Ebene sein muss. Der Sportzahnarzt muss Zusammenhänge kennen und erkennen und über ein entsprechendes Netzwerk verfügen, um dieser Anforderung gerecht zu werden. Wir brauchen die Besten aus der präventiven Zahnmedizin, der Ästhetik, der Traumatologie, der MKG-Chirurgie, der Kardiologie, der Endodontie, der Parodontologie, der Implantologie, der Prothetik, der Kieferorthopädie, der Funktionsdiagnostik usw.

Bei der Ausbildung der Teamzahnärzte im Rahmen des DGSZM-Curriculums legen wir darüber hinaus auch großen Wert auf die Vermittlung von Wissen aus vielen medizinischen Teildisziplinen, um Wechselwirkungen zu erkennen und diese mit den medizinischen Kollegen und den Physiotherapeuten zu berücksichtigen.

Ist die Sportzahnmedizin dann dem Hochleistungssport vorbehalten?

Avgerinos: Nein – von den Messdaten, die wir im Leistungssport weltweit sammeln und auswerten und den daraus resultierenden Ergebnissen profitieren bei unserer täglichen Arbeit selbstverständlich auch der Hobby- und Breitensport, aber auch unsere ganz „normalen“ Patienten.

Sie sind Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin und als solcher verantwortlich für die internationalen Kontakte der Gesellschaft. Inwieweit hat sich diese Aufgabe in den letzten Monaten pandemiebedingt verändert, und wie gehen andere Nationen mit der aktuellen Situation um?

Avgerinos: Die internationale Ausrichtung der DGSZM liegt mir persönlich und nicht nur aufgrund meiner Funktion tatsächlich sehr am Herzen und war von Anfang an eine wichtige Säule unserer Philosophie. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir Sportzahnärzte gemeinsam und international – als Teamplayer koope-
rierend die Sportzahnmedizin in der Zahnmedizin und in der Sportmedizin als Teildisziplin etablieren können. Dies war im Gründungsjahr 2012 unser gestecktes Ziel und ich denke, es kann sich sehen lassen, was wir bisher erreicht und bewegt haben.

Wir stehen in ständigem Dialog mit unseren Partnergesellschaften in der ganzen Welt und unterstützen uns regelmäßig gegenseitig. Besonders hervorheben möchte ich unsere Partnerschaft mit der ASD (Academy for Sports Dentistry) in den USA und der EA4SD (European Association for Sports Dentistry), aber auch unsere „Schwestergesellschaft“ ÖGSZM in Salzburg, für die ich auch die internationalen Kontakte aufbauen und pflegen darf. Unser nächstes gemeinsames Symposium findet vom 19. bis 21. November dieses Jahres in Athen statt, und ich habe die Ehre, Mitglied des Organisationskomitees zu sein. Bereits zum zweiten Mal sind wir dabei Teil des internationalen top-level-Sportmedizin-Symposiums der ECOSEP und etablieren uns dadurch auf höchster Ebene im Leistungssport. Infos zum Symposium finden Interessierte schon jetzt hier https://www.ecosep21.com.

Die Pandemie hat unsere internationale Ausrichtung nur dahingehend beeinflusst, dass wir den Kontakt mit unseren Freunden und Mitstreitern zurzeit über Videokonferenzen pflegen und die eine oder andere Veranstaltung, wie z.B. das Symposium der ASD im Juni 2020 in Nashville, abgesagt werden musste. Das diesjährige Symposium der ASD findet am 16. und 17. Juli als Onlineveranstaltung statt. Dr. Florian Göttfert und ich unterstützen dieses mit jeweils einem Vortrag und freuen uns, auch nächstes Jahr in Portland/Oregon dabei sein zu dürfen.

Die Sportzahnmedizin bespielt in Deutschland ein eher kleines Feld in der großen zahnmedizinischen Liga. Wie hat sich dieses Fach in der letzten Zeit verändert, und wie beurteilen Sie die Entwicklung in Zukunft?

Avgerinos: Die Sportzahnmedizin konkurriert mit keiner anderen Fachrichtung der Zahnmedizin und beansprucht weder ein kleines noch ein großes Feld in der zahnmedizinischen Liga. Im Gegenteil, wir sehen uns als interdisziplinäre Fachgesellschaft der DGZMK, deren Intention es ist, mit den anderen Gesellschaften zu kooperieren und deren Bestes zu fordern, um die optimale Versorgung für unsere Athleten zu gewährleisten. Durch unsere Berührungspunkte und den intensiven Austausch mit einer großen Zahl medizinischer Fachgebiete schlagen wir auch die Brücke zwischen Zahnmedizin und Medizin und schaffen das Bewusstsein der ärztlichen Bedeutung des zahnärztlichen Berufes bei Ärzten, Zahnärzten und der Gesellschaft.

Da ich fast täglich weltweit Kollegen kennenlerne, die mit Begeisterung sportzahnmedizinisch tätig sind oder ausgebildet werden wollen, mache ich mir um unsere Zukunft keine Sorgen. Wir haben in den letzten zwei Jahren annähernd 300 Teamzahnärzte ausgebildet. Bald werden es 1.000 und mehr sein. Das Potential ist groß und die Benefits für jeden einzelnen Absolventen immens. International sieht es ähnlich aus und wir fühlen uns als große Familie von Teamplayern mit dem gemeinsamen Ziel, das Beste für die Gesundheit unserer Patienten zu erreichen.

Vielen Dank, Herr Avgerinos, für dieses spannende und herzliche Gespräch.

Stavros Avgerinos

geboren 1970 in Alexandroupolis/Giechenland, Studium der Zahnmedizin an der Julius-Maximillian-Universität Würzburg, seit 1998 niedergelassen und Praxisinhaber in Oberhausen/NRW, seit 2009 Firmengründer und CEO der Intrasmile Ltd. Group of Companies.

Berufliche Fortbildung: offiziell zertifizierter Teamdentist durch die international academy of sports dentistry / weitere Tätigkeitsschwerpunkte: Traumatologie, Parodontologie, Implantologie / Mitglied in Fachgesellschaften: DGSZM (Deutsche Gesellschaft für Sportzahnmedizin), IASD (IAcademy of Sports Dentistry), DGZI (Deutsche Gesellschaft für Zahnärztliche Implantologie, EA4SD (European Academy for Sports Dentistry) u.a.

Öffentlichkeitsarbeit: Gründungsmitglied und Ehrenpräsident der Deutschen Gesellschaft für Sportzahnmedizin (DGSZM), Vorstandsvorsitzender des Eissportvereins Duisburg e.V. (Die Füchse), Verbandszahnarzt des AFCV-NRW und in der Medizinkommission des AFVD (American Football) / Profisportbetreuung: seit 2007 zahnmedizinische Betreuung von Profisportlern in den Sportarten Boxen, Fußball, Eishockey, MMA, Triathlon, American Football, Bogenschießen, Tennis, Golf, Downhill MTB u.v.a.