CMD – eine Frage der Hormone

Die Cranio-mandibuläre Dysfunktion (CMD) wird definiert als eine spezifische Funktionsstörung der Kaumuskulatur, Kiefergelenke und/oder Okklusion. Sie beinhaltet Schmerz und/oder Dysfunktion (Definition nach der DGFDT e.V.). Die CMD beschreibt als Syndrom gleich mehrere verschiedene Symptome, weshalb eine Diagnose häufig schwer zu stellen ist – auch, weil häufig Behandler als Erstanlaufstelle aufgesucht werden, die nicht oder nur unzureichend mit der CMD vertraut sind. Dabei sind – nach Angaben des CMD-Dachverbandes – rund 7 Millionen Menschen in Deutschland und mehr als 30 Millionen in der westlichen Welt von einer CMD betroffen. Zwei von drei Patienten sind weiblich, wie Bueno et al. 2018 in einer groß angelegten Übersichtsarbeit nachwiesen. Warum ist das so? Dazu gibt es bis heute keine verlässliche Antwort.

Eine mögliche Ursache wird im unterschiedlichen Schmerzempfinden zwischen den Geschlechtern vermutet. Tatsächlich belegen zahlreiche epidemiologische
Studien, dass Frauen ein deutlich höheres Risiko für klinische Schmerzzustände wie z.B. Fibromyalgie, Trigeminusneuralgie oder eben CMD haben als Männer [2].

Hier anknüpfend können auch Komorbiditäten als Ursache für die ungleiche Verteilung Betroffener herangezogen werden. Während bei männlichen Patienten keine Belege für mögliche Kofaktoren der CMD vorliegen, ist bei Frauen eine erhebliche Zahl von Begleiterkrankungen belegt: Fibromyalgie, Depression, Stress, Migräne, um nur einige zu nennen (Abb. 1) [3]. Mögliche Ursachen wären also ein sich gegenseitig verstärkender Schmerz, eine niedrigere Schmerzschwelle und/oder ein erhöhtes Schmerzempfinden bei Frauen.

Einen genaueren Blick verdienen die Zusammenhänge zwischen weiblichen Hormonen und CMD. Sexualhormone wie Östrogen, Progesteron und Testosteron haben eine Vielzahl bekannter Einflüsse auf den Menschen, auf Muskulatur und Nervensystem, was wiederum mit chronischen Schmerzsyndromen kompatibel ist [4]. Verschiedene Aspekte deuten darauf hin, dass weibliche Hormone eine Rolle bei der Entwicklung einer CMD spielen könnten: So stellte eine Studie bereits 2003 den Zusammenhang zwischen dem hormonellen Zyklus der Frau und der CMD her [5]. Vier Vergleichsgruppen wurden untersucht: 35 Frauen mit und 35 Frauen ohne Kontrazeptiva, die unter CMD litten, sowie eine Gruppe von 21 Männern mit CMD Beschwerden. Die Kontrollgruppe bildeten 35 schmerzfreie Frauen ohne Kontrazeptiva. Die Gruppen der Schmerz-Patientinnen nahmen zum Zyklusende eine Schmerzspitze wahr, die Frauen ohne Kontrazeptiva beschrieben eine zweite Schmerzspitze zum Ovulationszeitpunkt, wenn der Östrogenspiegel stark schwankt. Die Gruppe der Männer mit schmerzhafter CMD hingegen wiesen keine Veränderungen der Schmerzintensität entlang der Zeitachse auf. Dies deutet auf eine Korrelation der CMD-Schmerzen mit einem niedrigen bzw. stark schwankenden Östrogenspiegel hin.

Das bestätigt auch eine aktuelle Studie aus Brasilien [6], die den Einfl uss von Menopausen-Symptomen auf die Intensität der CMD-bedingten Schmerzen untersucht. Das Forscherteam konnte auch hier eine klare Korrelation belegen, vor allem in der späten Übergangsphase der Menopause. Je stärker die Menopausen-Symptomeabnahmen, desto geringer wurden auch die CMD bedingten-Schmerzen empfunden. Diese Studie belege erneut, so die Forschenden, den Zusammenhang zwischen Östrogen und dem Schmerzempfinden.

So klar die Zahlen zur geschlechterspezifischen Verteilung der CMD, so dünn ist nach wie vor die Studienlage – von einer individualisierten Therapie ganz zu schweigen.

 

Literatur