Dos and Don’ts zum Thema Corona-Impfpflicht für Mitarbeiter

Was es zum Thema Impfverpflichtung für Mitarbeiter in Zahnarztpraxen aus rechtlicher Perspektive zu beachten gilt

von RA Anna Stenger, Kanzlei Lyck+Pätzold

(veröffentlicht in Ausgabe 01|2021)

I. Darf der Praxisinhaber seine Mitarbeiter dazu verpflichten, sich impfen zu lassen?

Die Corona-Impfung ist laut der Verordnung des Bundesgesundheitsministeriums freiwillig. Zudem beteuert die Politik, dass sie auch keine Impfpflicht gegen das Corona-Virus einführen werde. Dennoch ist in der Öffentlichkeit eine Diskussion darüber entbrannt,  insbesondere für gewisse Berufsgruppen wie Ärzte und Pflegekräfte die besonders engen Kontakt zu vulnerablen Gruppen haben. Das betrifft auch Zahnärzte und die Mehrheit des Praxispersonals, die am Behandlungsstuhl sehr engen Kontakt zum Patienten haben. Bislang lehnt die Regierung die Einführung einer Impfpflicht auch für einzelne Berufsgruppen ab.

Ein Zahnarzt aus Bayern ist kürzlich damit in die Schlagzeilen geraten, dass er seine gesamten Mitarbeiter und Zahnärzte zur Corona-Impfung verpflichten wollte. Wer sich nicht impfen lasse, werde ohne Gehalt von der Arbeit freigestellt. Einen Impftermin hatte er auch bereits für das gesamte Praxisteam vereinbart. Darüber informierte er seine Mitar­beiter per Whats­App. Können Praxisinhaber ihre Angestellten zur Impfung verpflichten? Wohl nicht. Zwar sieht § 23 Abs. 3 Nr. 8 IfSG vor, das Praxisinhaber sicherzustellen haben, dass die nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um Infektionen zu verhüten und die Weiterverbreitung von Krankheitserregern zu vermeiden. Das kann den Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht und das Recht auf körperliche Unversehrtheit durch einen Zwang zur Impfung nicht rechtfertigen. Damit ist eine Impfpflicht auf Grundlage des Weisungsrechts des Arbeitgebers nicht umsetzbar.

do:
Praxisinhaber müssen nach dem Infektionsschutzgesetz die erforderlichen Maßnahmen treffen, um zu verhindern, dass Infektionen sich verbreiten.

don‘t:
Es besteht keine gesetzliche Impfpflicht nach der Corona-Virus-Impfverordnung. Eine vom Arbeitgeber angeordnete Impfung greift in das vom Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht und die körperliche Unversehrtheit ein.


 

Anna Stenger, LL.M., Rechtsanwältin bei Lyck+Pätzold

Rechtsanwältin Anna Stenger, LL.M, ist Fachanwältin für Medizinrecht, Master of Laws (LL.M.) Medizinrecht und publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften.

Sie begleitet die berufliche Tätigkeit der jeweiligen Leistungserbringer von der Approbation über die Zulassung bis zum Verkauf der Praxis, insbesondere im Bereich von Kooperationen. Dabei geht es zunächst um die Wahl der im jeweiligen Einzelfall geeigneten Kooperationsform sowie im Anschluss um die vertragliche Gestaltung unter Berücksichtigung aller gesellschaftsrechtlichen, berufsrechtlichen und vertragsarztrechtlichen Besonderheiten.

Eine weitere ihrer Kernkompetenzen liegt in der Begleitung von M&A Transaktionen von Unternehmen im Gesundheitsmarkt. Aufgrund ihrer Marktkenntnis und ihrem Fachwissen ist sie kompetenter Ansprechpartner in allen medizinrechtlichen und gesellschaftsrechtlichen Fragestellungen im gesamten Transaktionsprozess von der Anbahnung der Transaktion über die Durchführung der Due Diligence bis hin zur Verhandlung und Gestaltung der erforderlichen Verträge.

Darüber hinaus gehört die Beratung der (zahn-)ärztlichen Leistungserbringer als auch Medizinproduktehersteller sowie Verbände und Institutionen in Fragen der Compliance im Gesundheitswesen zu ihren Spezialgebieten.

Frau Rechtsanwältin Stenger publiziert regelmäßig in Fachzeitschriften und referiert zu den Themen Antikorruption im Gesundheitswesen, Compliance und dem Werbe- und Berufsrecht der Heilberufe.


II. Hat der Praxisinhaber ein Recht auf Auskunft, ob seine Mitarbeiter geimpft sind?

Zunächst stellt sich bereits die Frage, ob Praxisinhaber ein Recht auf Auskunft haben, ob ihre Mitarbeiter gegen das Corona-Virus geimpft sind oder nicht. Ein solches Auskunftsrecht ist nach dem IfSG in einigen Fällen möglich. Der Arbeitgeber kann, wenn und soweit dies im Hinblick auf seine Pflicht zur Vermeidung einer Infektionsverbreitung erforderlich ist, von seinen Beschäftigten nach § 23a IfSG Auskunft oder die Vorlage eines Nachweises über das Bestehen von Impfschutz oder das Bestehen einer natürlichen Immunität in Bezug auf die impfpräventablen Krankheiten verlangen. Inwieweit dies erforderlich ist, hängt insbesondere von Art und Umfang der Patientenkontakte des Beschäftigten ab. Bei einem engen Patientenkontakt in der Zahnarztpraxis spricht vieles dafür, ein Auskunftsrecht des Praxisinhabers zu bejahen. Die Frage nach dem Impfstatus ist von den Mitarbeitern dann auch wahrheitsgemäß zu beantworten. Sonst drohen arbeitsrechtliche Sanktionen. Die Freiwilligkeit der Entscheidung über die Inanspruchnahme von Impfschutz bleibt unberührt.

 

 

 

do:

Praxisinhaber dürfen ihre Mitarbeiter nach
dem Infektionsschutzgesetz nach ihrem Impf­status fragen.

 

 

 

III. Was ist zu tun, wenn Praxismitarbeiter eine Impfung ablehnen?

Praxismitarbeitern steht es demnach frei, ob sie sich gegen das Corona-Virus impfen lassen oder nicht. Doch wie sollen Praxisinhaber mit Mitarbeitern umgehen, die sich nicht impfen lassen möchten?

Besteht kein Impfschutz und weigert sich der Mitarbeiter auch zukünftig, sich impfen zu lassen, muss der Praxisinhaber zunächst prüfen, ob gleichwertiger Infektionsschutz durch andere Maßnahmen wie das Tragen einer Maske, Hygienebestimmungen, Einhalten von Abstand erreicht werden kann. Ist dies nicht der Fall, muss der Praxisinhaber weiter prüfen, ob er den Mitarbeiter in der Praxis anders einsetzen kann. Es geht dabei um die Frage, ob der Mitarbeiter in Bereichen eingesetzt werden kann, in denen ein Impfschutz nicht zwingend notwendig ist.

Nur in letzter Konsequenz kann dem Praxismitarbeiter eine personenbedingte Kündigung wegen des Wegfalls der persönlichen Eignung oder auch eine unbezahlte Freistellung drohen. Das könnte nur dann in Betracht kommen, wenn der Praxisinhaber keine Verwendung mehr für den ungeimpften Mitarbeiter hätte.

Arbeitsrechtlich denkbar ist es hingegen, über eine „Impf-Prämie“ finanzielle Anreize für Mitarbeiter zu schaffen, die sich für eine Impfung entscheiden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass Praxisinhaber im Grundsatz alle Mitarbeiter gleich behandeln müssen, sodass auch Mitarbeitern, die eine Impfung verweigern, aus dieser Weigerung keine direkten Nachteile entstehen dürfen. Bei der Zahlung einer Impf-Prämie hat der Praxisinhaber jedoch ein nachvollziehbares Interesse an der Impfung. Dennoch bergen solche finanziellen Anreize Konfliktpotenzial.

 

 

 

do:

Anreize für eine Impfung sind arbeitsrechtlich grundsätzlich denkbar.

 

 

don‘t:

Praxisinhaber dürfen keine Freistellung oder Kündigung aussprechen, wenn ein anderer Einsatz der Mitarbeiter möglich ist oder ein gleichwertiger Infektionsschutz durch andere Maßnahmen erreicht werden kann.

 

 

IV. Fazit

Viele dieser Fragestellungen werden voraussichtlich in diesem Jahr die Arbeitsgerichte beschäftigen. Im Spannungsfeld zwischen Arbeitsrecht, Infektionsschutz und widerstreitenden Grundrechten gibt es noch zahlreichen Diskussions- und Klärungsbedarf. Hinzu kommt, dass aktuell wissenschaftlich noch gar nicht erwiesen ist, dass die Corona-Impfungen der verschiedenen Hersteller nicht nur vor einer Erkrankung des Geimpften schützen, sondern die Infektion und damit die mögliche Übertragung auf andere verhindern. Sollte sich herausstellen, dass die Impfung die Infektion von Geimpften gar nicht verhindert, wären die vorgenannten Punkte gegebenenfalls anders zu bewerten.


 

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