Dos and Don’ts – Was bewegt die KFO aktuell?
Ein Überblick über die aktuellen rechtlichen
Themen, die die Kieferorthopädie bewegen.
RAin Anna Stenger, Kanzlei Lyck+Pätzold
I. Neue gesetzliche Versicherungspflicht!
Am 12.07.2021 ist das umstrittene Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung (GWVG) und die damit verbundene Pflegereform in Kraft getreten. Es handelt sich um ein Sammelgesetz, das eine Vielzahl von Änderungen an insgesamt 15 Gesetzen mit sich bringt. Während das Gesetz vor allem Neuerungen in der Pflege und für Krankenhäuser bringt, wurde mit § 95e SGB V eine Vorschrift eingeführt, die nun in sieben Absätzen regelt, wie sich Zahnärzte, Ärzte, Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und medizinische Versorgungszentren (MVZ) gegen Behandlungsfehler versicherungstechnisch absichern müssen. Werden die gesetzlichen Anforderungen nicht oder nur unzureichend erfüllt, drohen das Ruhen der Zulassung oder sogar ein Entzug.
Seit dem 20.07.2021 gilt für Vertragszahnärzte ohne angestellte Zahnärzte eine Mindestversicherungssumme von drei Millionen Euro pro Fall und sechs Millionen Euro pro Jahr. Für Vertragszahnärzte mit angestellten Zahnärzten, BAG, MVZ beträgt die Mindestversicherungssumme sogar fünf Millionen Euro pro Fall und 15 Millionen Euro pro Jahr. Nach § 95e
Abs. 3 SGB V hat der Vertragsarzt das Bestehen eines ausreichenden Berufshaftpflichtversicherungsschutzes durch eine Versicherungsbescheinigung gegenüber dem Zulassungsausschuss sowohl bei Stellung eines Antrags auf Zulassung, auf Ermächtigung oder auf Genehmigung einer Anstellung nachzuweisen als auch auf Verlangen des Zulassungsausschusses. Werden die oben genannten gesetzlichen Regelungen nicht eingehalten, kann der Zulassungsausschuss das Ruhen der Zulassung oder im schlimmsten Fall sogar einen Zulassungsentzug beschließen.
do: Praxisinhaber und MVZ sollten dringend ihren Versicherungsschutz überprüfen und ggfs. an die Mindestversicherungssummen anpassen.
don’t: Die neue Versicherungspflicht sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden, da bei Missachtung ein Ruhen der Zulassung oder ein Zulassungsentzug die Folge sein kann.
II. Videosprechstunde in der KFO-Praxis – sinnvoll oder sinnlos?
Im Gesundheitssektor wächst die Akzeptanz für digitale Modelle und digitale Infrastruktur und auch im zahnärztlichen Bereich hält die Videosprechstunde Einzug. Der persönliche und unmittelbare Kontakt zwischen Arzt und Patienten ist und bleibt unverzichtbar. Dank der Videosprechstunde müssen Arzt und Patient künftig jedoch nicht mehr in jedem Fall gemeinsam in der Arztpraxis sein. Das kann Zeit und Geld sparen. Ob Aufklärungs- oder Beratungsgespräch, Abklärung von Symptomen im Vorfeld, Erstbegutachtung, Zweitmeinungen oder Besprechung von Heil- und Kostenplänen – die Videosprechstunde ist für viele zahnmedizinische Anwendungsfälle geeignet. Auch Online-Fallbesprechungen unter Beteiligung eines Zahntechnikers sind denkbar. Die Videosprechstunde ist nicht nur patientenfreundlich, sondern auch betriebswirtschaftlich sinnvoll. Das gilt insbesondere mit Blick auf die Einigung von KZBV und GKV und die damit erfolgte Aufnahme von Videosprechstunden, Videofallkonferenzen, Telekonsilien sowie eines Technikzuschlages in den Bewertungsmaßstab für zahnärztliche Leistungen (BEMA).
do: Der Datenschutz und die DSGVO müssen eingehalten werden, so dass im Zahnarztbereich auf die zertifizierten Videodienstanbieter zurückgegriffen werden muss.
don’t: Die Videosprechstunde darf nicht von überall abgehalten werden. Auch hier muss Vertraulichkeit gewährleistet sein, denn die Videosprechstunde muss störungsfrei verlaufen und in Räumen stattfinden, die Privatsphäre bieten.
III. Homeoffice in der KFO-Praxis? Möglich!
Gerade unterstützende Behandlungsleistungen oder reine Verwaltungsaufgaben können hervorragend im Homeoffice durchgeführt werden. Bestimmte Aufgabenbereiche wie Patientenaufklärung, Behandlungsplanung, Vor- und Nachsorge, Materialbestellung, Pflege des Terminkalenders, Recall, Überarbeitung des Qualitätsmanagements, Fortbildungsplanung, Personalmanagement etc. müssen nicht zwingend vom Präsenzarbeitsplatz in den Praxisräumen aus erledigt werden. Zudem bietet sich für Praxisinhaber die Gelegenheit, auch schwangere und stillende angestellte Ärztinnen und angestellte Zahnärztinnen beschäftigen zu können, ohne sofort aufgrund der Gefährdungsbeurteilung ein Beschäftigungsverbot aussprechen zu müssen.
do: Um den datenschutzrechtlichen Verpflichtungen zu genügen, sollte mit Mitarbeitern eine schriftliche Homeoffice-Vereinbarung geschlossen werden, die z.B. sicherstellt, dass keine öffentlichen, nicht sicheren Internetzugänge benutzt werden oder ein sicheres häusliches Umfeld mit der Möglichkeit der Abschließbarkeit einzelner „Büroräume“ gegeben ist.
IV. Was gibt es Neues aus der Rechtsprechung?
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in diesem Jahr zwei Entscheidungen getroffen, die für MVZs und Praxen von Bedeutung sind. In einer Entscheidung machte der BGH deutlich, dass ein MVZ nur dann einen Doktortitel zur Bezeichnung des MVZ nutzen darf, wenn die medizinische Leitung des MVZ einem promovierten Zahnarzt obliegt. Der BGH führte hierzu aus, dass ein Doktortitel im Verkehr als Nachweis einer besonderen wissenschaftlichen Qualifikation angesehen wird, die über den Hochschulabschluss hinausgeht. Ein promovierter Gesellschafter im Trägerunternehmen des MVZ – wie es in dem zugrundeliegenden Fall lag – reicht nicht aus. Die Erwartung des Verkehrs bei Verwendung eines Doktortitels zur Bezeichnung eines MVZ beziehe sich nicht auf die maßgebliche (kaufmännische) Mitbestimmung durch einen promovierten Gesellschafter im Trägerunternehmen, sondern auf die (medizinische) Leitung des Versorgungszentrums durch einen promovierten Zahnarzt.
don’t: Ein MVZ darf keinen Doktortitel im Namen enthalten, wenn der zahnmedizinische Leiter keinen Doktortitel besitzt.
Eine weitere Entscheidung ist zum Beweiswert einer veralteten Praxissoftware ergangen. Der BGH stellte klar, dass einer elektronischen Dokumentation, die nachträgliche Änderungen entgegen der gesetzlichen Pflicht aus § 630f Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB nicht erkennbar macht, keine positive Indizwirkung dahingehend zukommt, dass die dokumentierte Maßnahme von dem Behandelnden tatsächlich getroffen worden ist.
do: KFO-Praxen sollten Ihre Praxissoftware auf dem aktuellen Stand halten, um von der positiven Indizwirkung der Dokumentation zu profitieren.
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