Dos and Don‘ts zum Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht
Was es zum Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht für Praxisinhaber zu beachten gilt
von RA Anna Stenger, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht
Am 15.03.2022 wird es ernst: die sogenannte einrichtungsbezogene Impfpflicht gilt. Eine Impflicht besteht zwar tatsächlich nicht, die Tätigkeit in einer betroffenen Einrichtung ist jedoch ab dem 16.03.2022 an einen gültigen Immunitätsnachweis geknüpft. Praxisinhaber müssen als Arbeitgeber zu diesem Zeitpunkt von allen Mitarbeitern den Nachweis über eine vollständige Impfung gegen COVID-19, den Genesenennachweis oder die ärztliche Bescheinigung, dass der Mitarbeiter nicht geimpft werden kann, verlangen. Was bedeutet diese Verpflichtung für Praxisinhaber, was ist zu tun, wenn der Nachweis nicht erbracht wird oder Mitarbeiter sich nicht impfen lassen möchten und was sollten Praxisinhaber schon vorher veranlassen?
I. Wer unterfällt der Impfpflicht und wer muss den Nachweis kontrollieren?
Ab dem 15.03.2022 müssen nach dem aktuellen Infektionsschutzgesetz alle Personen, die in den von der einrichtungsbezogenen Impfpflicht betroffenen Unternehmen tätig werden, geimpft oder genesen sein. § 20 a Abs. 1 IfSchG zählt die betroffenen Einrichtungen abschließend auf. Im Wesentlichen gilt die Regelung für alle Personen, die in Krankenhäusern, Dialyseeinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Gesundheitsämtern, Heilpraxen, Geburtshäusern, Alten- und Pflegeheimen sowie in der ambulanten Pflege tätig sind – und zwar unabhängig von der Art der Arbeit. Geimpft oder genesen müssen also Praxisinhaber selbst, angestellte Zahnärzte, ebenso wie Stuhlassistenz, Büro- und Reinigungskräfte sein.
Wie auch schon in den letzten Wochen haben die Arbeitgeber, also die Praxisinhaber, die gesetzliche Pflicht, die Nachweise zu kontrollieren und zu dokumentieren. Bis zum 15.03.2022 ist es lediglich der Status bzw. der Test für Ungeimpfte, nun nach § 20a Abs. 2 IfSchG entweder der Nachweis über die vollständige (bislang zweifache) Impfung, ein Genesenennachweis oder im Ausnahmefall ein ärztliches Zeugnis darüber, dass auf Grund einer medizinischen Kontraindikation eine Impfung nicht erfolgen kann.
Do: Praxisinhaber sind verpflichtet die Nachweise zu kontrollieren und zu dokumentieren.
Don’t: Die Beschränkung der Kontrolle auf die eigenen Mitarbeiter reicht nicht aus; der Nachweis muss bei allen Personen kontrolliert werden, die über einen längeren Zeitraum in der Praxis tätig werden – also auch bei externen Dienstleistern.
II. Was gilt ab dem 16.03.2022, wenn der Nachweis nicht erbracht wird?
Liegt ein Nachweis nach § 20a Abs. 2 IfSG nicht rechtzeitig bis zum Stichtag am 15.03.2022 vor oder bestehen Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit des vorgelegten Dokuments, hat der Praxisinhaber unverzüglich das zuständige Gesundheitsamt zu informieren und die konkreten, personenbezogenen Daten dorthin zu übermitteln. Sollte eine solche Meldung nicht erfolgen, drohen dem Arbeitgeber mögliche Bußgelder.
Nach § 20a Abs. 3 IfSchG ist zudem die Beschäftigung eines Mitarbeiters, der keinen Nachweis vorgelegt hat, ab dem 16.03.2022 in den betroffenen Gesundheitseinrichtungen und damit auch der Praxis ausgeschlossen. Arbeitgeber, die entgegen der Vorschrift Personen ohne Nachweis tätig werden lassen, begehen eine oder mehrere Ordnungswidrigkeiten nach § 73 IfSchG.
Personen, die nicht den erforderlichen Nachweis erbracht haben, dürfen in der Praxis nach dem 15.03.2022 nur noch so beschäftigt werden, dass dies mit den gesetzlichen Vorgaben zu vereinbaren ist, also ausschließlich im Homeoffice oder anderweitig isoliert. Sofern eine solche Möglichkeit wegen der Art der Beschäftigung oder aus organisatorischen Gründen nicht umsetzbar ist – was gerade im Praxisbetrieb in den meisten Fällen zutreffen wird, muss der Mitarbeiter mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das zuständige Gesundheitsamt kann den gemeldeten Mitarbeitern, die keinen gültigen Nachweis vorlegt haben, ein Verbot aussprechen, die Praxis zu betreten oder dort tätig zu werden. Damit ist der Mitarbeiter freizustellen und nach Ausspruch des Beschäftigungsverbotes entfällt der Vergütungsanspruch gegen den Arbeitgeber endgültig.
Bei Neueinstellungen ist die Lage nach dem 15.03.2022 noch eindeutiger: Gemäß § 20a Abs. 3 IfSG dürfen neu eingestellte Personen ohne gültigen Nachweis nicht mehr tätig werden. Eine Beschäftigung darf nur nach Vorlage des entsprechenden Nachweises erfolgen.
Do: Praxisinhaber müssen vor der Freistellung des Mitarbeiters die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung prüfen.
Don’t: Praxisinhaber, die der Meldepflicht an das Gesundheitsamt bei fehlenden Nachweisen nicht nachkommen, müssen mit Bußgeldern rechnen.
III. Welche Maßnahmen sollten Praxisinhaber schon vor dem 15.03.2022 ergreifen?
Da die Weiterbeschäftigung von Ungeimpften immer eine Frage der Einzelfallentscheidung ist, sollte, wenn der Arbeitgeber es abzusehen kann, dass zum 15.03.2022 von einem Mitarbeiter kein Nachweis vorgelegt werden wird, vorausschauenden gehandelt werden.
Zuerst sollte immer das Gespräch mit dem Mitarbeiter gesucht werden, denn wertvolle Mitarbeiter möchte kein Arbeitgeber verlieren. Zeitnah sollten daher Personalgespräche motivierend geführt werden. Die Konsequenzen und Alternativen der unterlassenen Impfung sollten gemeinsam besprochen werden. Sofern die Mitarbeiter weiterhin an ihrer Entscheidung festhalten, sollte der Praxisinhaber aus Gründen der Vorsorge und Nachweispflicht, die Situation dem Mitarbeiter schriftlich mitteilen.
Praxisinhaber, die schon heute wissen, dass zum Stichtag XX Mitarbeiter weder vollständig geimpft noch genesen sein werden, sollten auch schon vor Ablauf des 15.03.2022 beim Gesundheitsamt erfragen, wie mit den Mitarbeitern zu verfahren ist. Ob eine Antwort des Gesundheitsamts vor Ablauf der Frist zu erwarten ist, kann nicht vorausgesagt werden. Doch die Anfrage sollte im Zweifel gestellt werden, wenn absehbar ist, dass Mitarbeiter keinen Nachweis haben werden.
Do: Praxisinhaber sollte motivierende Mitarbeitergespräche führen, um Mitarbeiter für eine rechtzeitige Immunisierung zu gewinnen.
Don’t: Machen Mitarbeiter dennoch deutlich, dass sie zum Stichtag keinen Nachweis vorlegen können oder wollen, sollten Praxisinhaber nicht auf die schriftliche Mitteilung der Nachweispflicht und möglicher arbeitsrechtlicher Konsequenzen verzichten.
IV. Was für Konsequenzen drohen bei Verstößen?
Wer entgegen den neuen Regelungen zum Nachweis der Immunität Personen in der Praxis tätig werden lässt, handelt ordnungswidrig und kann mit einer Geldbuße von bis zu fünfundzwanzigtausend Euro pro Fall belegt werden. Neben dem Praxisinhaber handeln auch Beschäftigte ordnungswidrig, die ohne Nachweis weiter tätig werden und können Bußgelder bis zur gleichen Höhe nach dem IfSG erhalten. Werden falsche Nachweise vorgelegt sind im Zweifel auch Straftatbestände des StGB mit noch weitreichenderen Folgen erfüllt. Praxen sind in jedem Fall gut beraten, sich frühzeitig auf die zu ergreifenden Maßnahmen vorzubereiten und sich rechtlich abzusichern.
Update zur „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“
Kommt sie nun? Oder nicht? Oder nur ein bisschen? Oder vielleicht später?
Der 15.03.2022 rückt näher und die Diskussionen in Politik und seitens der Gesundheitsämter nehmen zu und damit die Fragezeichen bei allen Beteiligten – vor allem den Arbeitgebern. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) verkündete: „Bis das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Person grundsätzlich möglich.“ Nachdem ein Betretungs- bzw. Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden sei, dürfte im Ergebnis für betroffene Arbeitnehmer der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen.
Die Frage, ob Ärzte oder Krankenhäuser ihrem Personal ein Beschäftigungsverbot erteilen dürfen, auch wenn es noch keine Anordnung vom Gesundheitsamt gibt, ließ das BMG gegenüber dem Ärzteblatt hingegen unbeantwortet.
Der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD) warnt vor einer Überlastung der Gesundheitsämter, fordert längere Fristen zur Durchsetzung und sieht vor allem die Arbeitgeber in der Pflicht. Die Arbeitgeber seien in der Verantwortung, den Impfstatus der Mitarbeitenden zu erheben und auf eine Impfung bzw. eine Vervollständigung des Impfstatus hinzuwirken. Würden keine Impf- oder Genesenennachweise vorgelegt, sei eine Tätigkeit im patientennahen Bereich vorerst nicht mehr möglich, teilte der BVÖGD mit. „Die sich an die Prüfungsverfahren anschließenden arbeitsrechtlichen Fragen hinsichtlich Einsatzmöglichkeiten in patientenfernen Bereichen, Freistellungen, Einstellung der Lohnfortzahlung und gegebenenfalls Kündigungen seitens des Arbeitgebers sind arbeitsrechtlich zu klären und nicht Aufgabe des Gesundheitsamtes“, so die stellvertretende Bundesvorsitzende des BVÖGD, Elke Bruns-Philipps nach Angaben des Ärzteblatt.
Jetzt äußerte sich auch der Bayrische Landeschef Markus Söder kritisch und möchte die „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ schlichtweg vorerst nicht umsetzen, indem er de facto erst einmal den Vollzug aussetzt. Unterstützung erhält er hierfür von der Union. Kritik löst dieses Vorgehen hingegen beim Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und anderen Politikern aus. Das Gesetz ist beschlossen, doch die Debatte offenbar längst nicht abgeschlossen.
Damit sind die Arbeitgeber mit den zahlreichen Fragen und Problemen hinsichtlich der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ aktuell jedoch allein gelassen und müssen ab dem 16.03.2022 entscheiden, wie sie mit Mitarbeitenden umgehen, die keinen Nachweis erbracht haben. Daher ist es umso wichtiger, dass Arbeitgeber mit den Mitarbeitenden frühzeitig motivierende Gespräche führen und im Zweifelsfall schriftlich auf die arbeitsrechtlichen Konsequenzen hinweisen. Denn neben den arbeitsrechtlichen Fragestellungen drohen Arbeitgebern möglicher Weise auch haftungsrechtliche Konsequenzen, wenn Sie Mitarbeitende ohne Nachweis weiterhin tätig werden lassen und es dann in den Einrichtungen bzw. der Praxis zu Infektionen kommt. Die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen ändern nämlich nichts an der bestehenden gesetzlichen Regelung und befreien Arbeitgeber nicht davon, sich an diese zu halten. Sollte ein Festhalten an der „einrichtungsbezogenen Impfpflicht“ doch nicht mehr gewünscht sein, braucht es daher eine erneute Gesetzesänderung.