Dos & Don’ts zum Thema Aligner-Behandlung

Was es zum Thema Aligner-Behandlung aus rechtlicher Perspektive zu beachten gilt 

(veröffentlicht in Ausgabe 3/2020)

I. Die Krux mit der CE-Kennzeichnung

Die unsichtbare Zahnschienentherapie wird aus mehreren Gründen immer populärer. Sie gelten als Alternative zur festen Zahnspange und sollen – vergleichbar wie feste Zahnspangen – täglich so lange wie möglich getragen werden. Nur zum Essen und zur Reinigung werden sie herausgenommen. Der offensichtliche Vorteil der Aligner ist, dass sie durch ihr transparentes Material nahezu unsichtbar sind und gerade für Erwachsene, die bereits im Berufsleben stehen, keine Assoziationen zu „Teenager Zeiten“ entstehen. Je nach Zahnfehlstellung dauert eine Korrektur zwischen 3 und 24 Monaten, und die zahlreichen Anbieter versprechen ein makelloses Lächeln, vor allem bei leichten bis mittleren Fehlstellungen.

Gleichwohl liegt bei einer Aligner-Behandlung nicht lediglich eine kosmetische Behandlung vor. Ein Produkt wird nicht dadurch als Kosmetikum klassifiziert, weil es auch ein ästhetisches Ergebnis hervorbringt oder die Behandlung ggf. aus ästhetischen Gründen erfolgt. Denn kosmetische Mittel sind Stoffe oder Gemische und keine Gegenstände.

Aligner Schienen stellen Medizinprodukte dar, da sie eine Veränderung der Anatomie des Kauapparates bezwecken. Jede Anomalie der Zahnstellung ist gem. § 1 des Zahnheilkundegesetzes als Krankheit anzusehen, so dass gem. § 3 Nr. 1c MPG eine Veränderung des anatomischen Aufbaus erfolgt und der Aligner ein Medizinprodukt darstellt. Konkret handelt es sich bei den Alignern um Sonderanfertigungen, so dass eine CE-Kennzeichnung entfällt.


 

 

 

don‘t:
Aligner fallen nicht in den Bereich Kosmetik, auch wenn häufig mit dem ästhetischen Nutzen geworben mit.

 

 

do:
Aligner stellen Medizinprodukte dar, so dass der Hersteller und Behandler die medizinprodukterechtlichen Regularien beachten muss.

 


Leonie Unkelbach, Rechtsanwältin bei Lyck+Pätzold

Ihre Affinität und Leidenschaft zum Medizinrecht ist durch ihre Familie begründet und Frau Unkelbach hat schon früh einen Einblick in den Krankenhaus- sowie Praxisalltag bekommen. Dadurch hat sie ein hohes Verständnis einerseits für die medizinische Arbeitsweise und andererseits für die Regularien im Gesundheitswesen übernommen. Ihr Fokus liegt auf einer verständlichen Rechtsberatung, die stets einen Mehrwert hat und mit einer klaren Handlungsempfehlung für das weitere strategische Vorgehen schließt.

Lyck+Pätzold
Die Kanzlei wurde im Jahr 2002 durch die Rechtsanwälte Katri Helena Lyck und Jens Pätzold in Bad Homburg gegründet. Im Laufe der Jahre begann eine besondere Ausrichtung der Kanzlei neben der Medizinprodukteindustrie auf den Dentalmarkt. Die Kanzlei berät zahlreiche Zahnarztpraxen in allen Fragen mit Medizin- und Praxisbezug, dies reicht von den klassischen Fragen des Medizinrechts, dem Arbeitsrecht in der Praxis, dem ärztlichen Gesellschaftsrecht, den Praxisauseinandersetzungen, der Praxismietverträge bis hin zum gewerblichen Rechtsschutz.

Für ORTHOorofacial beleuchten die Rechtsanwälte von Lyck+Pätzold rechtliche Stolperfallen in der fach-/zahnärztlichen Praxis.

II. Der Zahnarztvorbehalt

Weiter ist zu klären, inwieweit die Einbindung eines Zahnarztes bzw. Kieferorthopäden in die Aligner-Behandlung erfolgen soll bzw. muss. 

Denn grundsätzlich ist der Anwendungsbereich des Zahnheilkundegesetzes eröffnet und es gilt somit der Arzt- bzw. Zahnarztvorbehalt. Zahnärztliche Behandlungen müssen also durch Zahnärzte erfolgen und können nur in engen Grenzen delegiert werden.

Gleichwohl bieten Aligner-Start-ups Abdrucksets an, damit Patienten von zu Hause aus Abdrücke ihrer Zähne nehmen können. Basierend auf den selfmade Abdrücken werden die Schienen hergestellt. Dieses und vergleichbare Geschäftsmodelle werden von den Fachkreisen kritisch bewertet.

Die rechtliche Lage zu den unterschiedlichsten Geschäftskonzepten ist weitestgehend im Fluss; ein höchstrichterliches Urteil, welches Qualitätsansprüche an Diagnostik und Kontrollintervalle sowie den regulatorischen Anforderungen des Dentalmarkts festlegt, bleibt abzuwarten. So hat das Landgericht Düsseldorf in seinem Urteil vom 14.03.2019 (Az.: 34 O 1/19) statuiert, dass „zum Standard einer kieferorthopädischen Behandlung im Einzelfall auch die röntgenologische Darstellung aller Zähne und Zahnkeime“ gehöre. Ob allein die Zusammenarbeit mit approbierten Zahnärzten ausreicht, oder gar Selbstabdrucksets mit dem ZHG in Einklang stehen, bleibt offen. Neben den möglichen berufsrechtlichen Verstößen treten mögliche Haftungsrisiken.


 

 

 

 

 

do:
Geschäftsmodelle mit Alignern müssen die berufsrechtlichen Vorgaben ebenso einhalten und sind daher kritisch zu prüfen.

 

 

 

 

 


III. Und wie steht es um die Werbung?

Die Hersteller von Aligner Schienen nutzen gerne Vorher-Nachher-Bilder, um die erzielten Ergebnisse ihren Kunden zu präsentieren. Gerade auf Instagram werben zahlreiche Hersteller mit Influencer-Marketing. Damit bekommen die geschalteten Werbeanzeigen eine persönliche Note und klingen mehr nach Empfehlung als nach gewohnter Werbung. Zudem steht bei den werblichen Darstellungen gerne der kosmetische Effekt im Vordergrund, indem mit einem „veränderten Lächeln“ geworben wird.

Gleichwohl fallen die werblichen Darstellungen allesamt unter das UWG, und insbesondere unter das Heilmittelwerbegesetz. § 11 HWG ist zentrale Vorschrift, an der sich auch sog. Vorher-Nachher-Bilder messen lassen müssen, damit sie sich im rechtlich zulässigen Rahmen bewegen. 

So dürfen Darstellungen nicht missbräuchlich sein, beispielsweise, weil sie in der Gesamtbetrachtung abstoßend oder übertrieben sind. Wichtig ist, dass bildliche Darstellungen vorrangig zur Patientenaufklärung verwendet werden und nicht haltlose Versprechungen wiedergeben.


 

 

don‘t:
Die werbliche Darstellung der Aligner ungeprüft lassen.

 

 

do:
Die rechtlichen Anforderungen, insbesondere das UWG und HWG beachten.

 

 


 

 

Christian Erbacher, Rechtsanwalt bei Lyck+Pätzold

Rechtsanwalt Christian Erbacher, LL.M. (Medizinrecht) ist in der Kanzlei Lyck+Pätzold, Bad Homburg, tätig. Seit Beginn seiner anwaltlichen Tätigkeit hat er sich auf den Bereich des Medizinrechts spezialisiert. Außerdem berät er in allen Fragen zu E-Health, Telemedizin, mobile Gesundheit, ferner zum Datenschutz und zum Wettbewerbsrecht.

IV. Fazit

Der Aligner-Markt ist zunächst aus den USA nach Deutschland gekommen und wächst stetig. 

Auf den ersten Blick und bei oberflächlicher Betrachtung ähneln sich die Geschäftsmodelle, doch bei genauerem Hinsehen treten in der medizinrechtlichen Umsetzung deutliche Unterschiede zu Tage. Dies liegt vor allem daran, weil das deutsche Gesundheitssystem hoch reguliert ist. Darüber hinaus existieren immer noch viele rechtliche Grauzonen, da bei Politik und Behörden das Thema erst nach und nach präsent wird. 

Für die Zukunft wird der Markt weiterhin spannend bleiben, da das sog. „perfekte Lächeln“ durch die Aligner-Behandlung für eine große Masse bezahlbar gemacht werden soll und wahrscheinlich auch wird. Welche rechtlichen Fallstricke im Ansatz lauern könnten, verdeutlichen die obigen „dos and don’ts“.

Für Zahnärzte und Kieferorthopäden gilt, den Markt zu beobachten, sich der dargestellten Entwicklungen aktiv bewusst zu sein und sich entsprechend am Markt zu positionieren.


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