Haltung bewahren!

Prof. Dr. Peter Kropp, Universitätsmedizin Rostock

Die Physiotherapie macht es genau richtig! Obwohl schon die Lateinerin oder der Lateiner
gelernt haben „mens sana in corpore sano“ verlieren wir nur allzu oft den Kontakt zu unserem Körper. Wir behandeln Schmerzen oder Probleme mit der Stimmung über Medikamente, obwohl uns die Physiotherapie auch völlig andere wirkungsvolle Möglichkeiten und Wege anbieten kann. So ist bekannt, dass sich Stimmung auf die Körperhaltung auswirkt; eine traurige Stimmung sieht man dem Körper an. Man sollte aber nicht meinen, dass der Ausdruck der Stimmung über die Körperhaltung eine Einbahnstraße sei: Schon das bewusste Aufrichten des Körpers nach dem Motto „Brust raus!“ führt zu einer Stimulierung positiv besetzter subkortikaler und kortikaler Regionen und damit ganz rasch zu einer Stimmungsbesserung (Michalak et al. 2014). So gilt: Öfters mal sich recken und strecken. Dies gilt gerade dann, wenn man längere Zeit sehr konzentriert arbeitet – also am Schreibtisch oder am Behandlungsstuhl und erst recht zu Corona-Zeiten, in denen der Monitor zum stundenlangen Arbeitsplatz geworden ist. Dann ist das „sich strecken“ unbedingt notwendig, und das möglichst oft. Dabei gilt, dass sich bereits minimale Haltungsänderungen positiv auf die Stimmung auswirken und bei Messung mit einem Depressionstest zu einer Besserung der Stimmung um mehr als 30% führen (Nair et al. 2015).

Die Physiotherapie lehrt uns das richtige „sich strecken“. Bewährt haben sich Bewegungen, die den Körper „groß“ machen und damit gegen die gebückte Haltung wirken. Man kann das gerne im Selbstversuch wagen: Im Stehen sich strecken oder im Sitzen noch größer werden, ändert die aktuelle Stimmung sofort und merklich. Und immer beachten: „Brust raus!“ – aber bitte kein Hohlkreuz machen!

Dazu gibt es eine Reihe von gut durchgeführten, kontrollierten Studien. Mit diesen kann nachgewiesen werden, dass aufrechtes Sitzen eine größere Stressresistenz zur Folge hat, negative Stimmungen reduziert und positive fördert. Auch das bewusste aufrechte Gehen bessert die Stimmung und vermindert die Stress-Reagibilität (Hackford et al. 2019, Nair et al. 2015).

Es geht sogar noch weiter: Mit Hilfe der Rückmeldung der korrekten Haltung mittels Biofeedback können das allgemeine körperliche und psychische Wohlbefinden (gemessen über den Lebensqualitäts- Fragebogen SF-36) deutlich gebessert werden (Harvey et al. 2020). Dabei liegt am Nacken ein kleiner Sensor an, der dem Smartphone laufend die Körperhaltung meldet. Wenn sich diese negativ verändert, beginnt das Smartphone zu vibrieren und signalisiert dem Träger, sich aufzurichten. Das Vibrieren hört dann auf.

„Haltung bewahren“ ist damit nicht nur eine Einstellungsfrage in unruhigen Zeiten, sondern eine schnelle, effektive und wirkungsvolle Maßnahme
gegen schlechte Laune. Machen Sie sich größer, richten Sie sich auf – und die Welt sieht ein wenig besser aus!