Hatte Winston Churchill Unrecht?

Prof. Dr. Peter Kropp, Universitätsmedizin Rostock

In dieser Meinung sollte sich der Staatsmann geirrt haben: „no sports“ als Begründung für ein langes Leben kann eben nicht die Grundlage für gesundes und schmerzarmes Verhalten sein. Gerade dann, wenn sich das Thema des Heftes, welches Sie vor sich haben, um Sportzahnmedizin dreht, muss am Sport etwas Gesundheitsförderndes vorhanden sein. Warum dann „no sports“?

Lassen Sie uns zunächst ein paar Erkenntnisse der Wirkung von Sport aus psychologischer Sicht zusammenstellen und kommentieren. Dann gehen wir auf den Ausspruch von Churchill ein.

Folgende Fakten zum Sport kennen wir:

  1. Ausdauertraining hilft der Fitness
  2. Sport steigert die Selbsteffizienz
  3. Sport bewirkt eine Abkehr von der Arbeitsroutine
  4. Glückshormone werden durch Sport ausgeschüttet
  5. Sport aktiviert die körpereigene
    Schmerzhemmung
  6. Sport verhindert krankmachende Aktivitäten
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Sportliche Aktivität ist häufig eine Form des Ausdauertrainings. Selbst der 30-minütige Dauerlauf dreimal in der Woche steigert die körperliche Fitness und führt bei regelmäßiger Anwendung zu mehr Kraft und zu einer Zunahme der körperlichen und (!) psychischen Leistungsfähigkeit. Dabei müssen nicht unbedingt bestimmte Muskelgruppen trainiert werden, es reicht (zunächst) allein das regelmäßige Joggen. Nach wenigen Wochen regelmäßigen Trainings kann man dies an einer Abnahme der Herzfrequenz und einer verbesserten Herzfrequenz-Variabilität erkennen.

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Durch Sport wird die Selbst-Effizienz gesteigert. Der Sportler unternimmt eine Aktivität und fühlt sich danach regelmäßig besser als davor. Dieses Phänomen kennt jeder; es besteht aus der Überwindung des statischen Beharrens in eine dynamische Bewegung. Einmal überwunden, erlebt sich der Sportler als effektiv und effizient. Beide Eigenschaften wirken zudem antidepressiv und stimmungsaufhellend. Diese Selbst-Wirksamkeit wird bei fast jeder psychotherapeutisch geführten antidepressiven Behandlung aufgebaut. Also: Sport statt Antidepressiva? In gewissen Grenzen: Ja!

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Auch wenn Sport keine Pause im eigentlichen Sinne darstellt, bedeutet sportliche Aktivität eine Abkehr von Routinehandlungen. Letztere stellen eben den Arbeitsprozess als solchen dar. Eine Unterbrechung, ähnlich einer längeren Pause, führt zu besserer Leistungsfähigkeit auch in der Arbeit nach dem Sport. Nach einer kurzen sportlichen Aktivität ist die Arbeitsleistung besser als davor.

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Durch Laufen werden Glückshormone ausgeschüttet. Nicht ohne Grund wird dabei auch vom „Laufrausch“ gesprochen. Dieser verdeckt die körperliche Anstrengung speziell beim Laufen und führt zu fast euphorischem Verhalten (man muss dabei aber schon ein paar Kilometer gelaufen sein). Kürzlich konnte gezeigt werden, dass beim Laufen Endocannabinoide ausgeschüttet werden, die das Glücksgefühl modulieren. Also: Laufrausch durch Dauerlauf, und das völlig legal!

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Wissenschaftlich klar erwiesen ist die nachfolgende Schmerzhemmung nach einem Dauerlauf von mindestens 30 Minuten Dauer. Jede Standardtherapie gegen Migräne und Spannungskopfschmerzen beinhaltet ein Jogging-Programm. Welche Faktoren dabei die Schmerzhemmung triggern, ist weitgehend noch unbekannt. Nur so viel weiß man (speziell bei der Migränebehandlung): es ist vor allem die vertikale Komponente beim Laufen, weniger die horizontale. Trampolin-Springen oder Seilhüpfen ergibt fast denselben Effekt wie ein Dauerlauf. Offenbar sollte der Körper durchgeschüttelt werden, was dann den anti-migränösen Effekt bewirkt.

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Was meistens unterschätzt wird: Solange ich Sport treibe, kann ich kaum krankmachende Aktivitäten ausüben. Alkohol im Übermaß oder Zigarettenrauchen geht einfach nicht beim Dauerlauf oder gar beim Radeln. Deswegen schützt der Sport vor ungesundem Verhalten.

Wie dem auch sei – Bewegung fördert die Gesundheit. Übrigens ist der Ausspruch des ehemaligen englischen Premierministers in keiner Weise belegt. Möglicherweise hat er dies so nie gesagt. Nach all diesen positiven Erkenntnissen zum Sport absolut verständlich. Deswegen viel Spaß und Erfolg bei ihrem individuellen Fitness-Programm. Probieren Sie es einfach aus, Sie werden es nicht mehr missen wollen!


Bildnachweis

© Cherries

Literaturhinweise

[1] Boecker H, Sprenger T, Spilker ME, Henriksen G, Koppenhoefer M, Wagner KJ, Valet M, Berthele A, Tolle TR (2008). The runner’s high: opioidergic mechanisms in the human brain. Cereb Cortex 18(11):2523-2531.

[2] Gil-Beltrán E, Meneghel I, Llorens S, Salanova M (2020). Get Vigorous with Physical Exercise and Improve Your Well-Being at Work! Int J Environ Res Public Health 17(17):6384.

[3] Kropp P, Meyer B, Dresler T, Fritsche G, Gaul C, Niederberger U, Förderreuther S, Malzacher V, Jürgens TP, Marziniak M, Straube A. (2017). Entspannungsverfahren und verhaltenstherapeutische Interventionen zur Behandlung der Migräne. Leitlinie der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft. Schmerz
31(5):433-447.