Herausnehmbare Gaumennahterweiterung

in Kombination mit konfektionierten Trainern in der kombiniert myofunktionell/kieferorthopädischen Frühbehandlung – vier Fallbeispiele

Dr. Andrea Freudenberg, Daniel Fuchs, Dr. Julia Camilla Bulski, Weinheim

(veröffentlicht in Ausgabe 02 | 2021)

In diesem Beitrag soll auf die Ursachen der transversalen Enge des Oberkiefers eingegangen und die möglichst frühzeitige Therapie anhand von vier Fallbeispielen vorgestellt werden. Erstmalig wurde die Gaumennahterweiterung zur Erweiterung der Sutura palatina mediana 1840 beschrieben. Meist ist sie festsitzend oder skelettal verankert. Nachteile sind die Akzeptanz der Patienten gerade in der Frühbehandlung v.a. bzgl. Implantatinsertion, die mangelnde Möglichkeit zur Mundhygiene, die nicht vorhandene Möglichkeit zur gleichzeitigen Protrusion bzw. Ausformung der Oberkieferfront, keine gleichzeitige Vorverlagerung des Unterkiefers bei Angle Klasse II und die Einschränkung der regelrechten Zungenruhelage am Gaumen. Im Folgenden wird eine herausnehmbare Alternative zur Gaumennahterweiterung in Kombination mit einem konfektionierten Trainer und myofunktioneller Therapie vorgestellt. Ziel ist es, auch die Ursachen der transversalen Enge zu behandeln und damit die Rezidivneigung der transversalen Breite zu minimieren.

Die Oberkieferbreite bei unseren Patienten ist sehr unterschiedlich und von endogenen wie exogenen Faktoren abhängig. Auf diesen epigenetischen Einfluss wies Moss schon 1968 hin, als er beschrieb, dass 80 % der Dysgnathien auf eine Dysfunktion zurückzuführen sind [1]. In dem Buch Kieferorthopädische Retention von Ihlow und Rudzki von 2018 werden orofaziale Dysfunktionen als sogar der entscheidende Faktor für einen langfristigen Therapieerfolg hervorgehoben [2]. Hier schließt sich die Frage an: Von welchen Funktionen ist die Breitenentwicklung des Oberkiefers abhängig? „Die Zunge ist der Wachstumsmotor des Oberkiefers“, eine Aussage, die uns Kieferorthopäden natürlich bekannt ist. Die Zunge in der physiologischen Ruhelage am Gaumen lässt den Oberkiefer gemeinsam mit dem nasalen Luftstrom in die Breite wachsen und fungiert als „Backform“ des Oberkiefers. Wenn die Zunge den Oberkiefer geformt hat, weist dieser eine U-Form auf, wie die Zunge selbst. Ein V-förmiger Oberkiefer mit ausgeprägten Gaumenfalten, welcher meist nicht genug Platz für die Zähne bietet, ist die Folge einer tiefen Zungenlage. Dieses Wissen hat über Jahre den Fokus der Myofunktionellen Therapie auf die Zunge und das richtige Schluckmuster gelenkt.

Nach Proffit ist aber nicht der kurze, starke Druck des Schluckens bzw. die Zungenlage beim Sprechen ausschlaggebend für die Form des Gaumens, sondern die Ruheweichteilbeziehungen, d.h. die Kräfte der die Zähne und den Gaumen umgebenden Muskulaturen in Ruhe [3-5]. Der habituell komplette Lippenschluss ist damit die entscheidende Voraussetzung, um alle weiteren Abweichungen zu beeinflussen und die dentoalveolären Entwicklungsabläufe zu koordinieren: Nur bei geschlossenem Mund kann ein leichter Unterdruck im Mundraum entstehen. Die leichte, aber beständige Krafteinwirkung des Luftstroms durch die Nase und der Lippenschluss mit der mühelosen Zungenruhelage am Gaumen gestalten die Form des Oberkiefers [6-9]. Dem mühelosen Lippenschluss und damit der Nasenatmung kommt damit als erstes Therapieziel eine wesentliche Bedeutung zu. Mathilde Furtenbach, MFT-Therapeutin und Logopädin aus Österreich sagte dazu: „Die einzelnen oralen Funktionen unterliegen einer unterschiedlichen Gewichtung im Hinblick auf die Kieferentwicklung – das bezeichne ich als Paradigmenwechsel in der MFT“ (Abb. 1) [10-12].

Aus diesen Überlegungen ist das interdisziplinäre Behandlungskonzept mykie® entstanden. Ziel war, Funktion und Form d.h. myofunktionelle Therapie (MFT) und Kieferorthopädie (KFO) in einem Behandlungskonzept effizient zu verschmelzen [13,14].

Vorgehen

Alle vier Patienten wurden nach dem Therapiekonzept in Abb. 2 behandelt, d.h. die aktive interdisziplinäre Therapie ist in drei Module aufgeteilt, die jeweils sechs Monate dauern. Die Gesamtbehandlungszeit von 1,5 Jahren orientiert sich damit an der Frühbehandlung der gesetzlichen Krankenversicherungen. Anschließend findet noch eine einjährige Nachhaltigkeitsphase statt, welche die weitere Automatisierung begleitet. A) KFO und B) MFT finden also immer parallel statt und sind aufeinander abgestimmt.



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Bildnachweis

Dr. med. dent. Andrea Freudenberg

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