Leistungssteigerung im Spitzensport

Sportzahnmedizinische Ansätze zur indirekten und direkten Leistungssteigerung

Dr. Alexander Grau und Dr. Andreas Geiger, Augsburg

 

Spitzensportler an sich werden in den meisten Fällen als leistungsfähige, kerngesunde Athleten wahrgenommen. Doch ist der Preis für herausragende sportliche Leistung hoch. Eine Kombination aus hohem Trainingspensum, kurzen Regenerationszeiten sowie starkem Leistungsdruck, welcher sich durch latenten psychischen Stress äußert, führen zu einer signifikant erhöhten Prävalenz von kraniomandibulären Dysfunktionen bei Profi- und Hochleistungssportlern[1].

Soll ein augenscheinlich gesunder Sportler hinsichtlich möglicher zahnärztlicher Störfaktoren untersucht werden, beginnt eine Detektivarbeit. Mit einbezogen werden Bewegungs- und Stützapparat, manualmedizinische Untersuchungen der Muskel- und Gelenkfunktion einschließlich vergangener Verletzungen und kieferorthopädischer Vorbehandlungen. Aus diesem Grund scheint es sinnvoll, diagnostische und therapeutische Möglichkeiten jenseits des eigenen Fachgebiets kennenzulernen, um ein interdisziplinär abgestimmtes Vorgehen zum Erkennen und Beseitigen versteckter Leistungsbremsen einer Sportlerin oder eines Sportlers zu ermöglichen. Der Sportzahnarzt sollte sich im modernen Profisport im Team der Ernährungs- und Physiotherapeuten, der Athletik-, Mental- und Cheftrainer sowie der betreuenden Orthopäden und Internisten einbringen und seinen Teil zur optimalen Leistungserbringung von Einzelathlet oder Team beitragen.

Neuroanatomische Verbindungen

Auf neuroanatomischer Ebene spielt der Nervus Trigeminus eine entscheidende Rolle. Er innerviert Gesichtshaut und Mundhöhle sensorisch sowie die Kaumuskulatur motorisch. Auf Höhe der Halswirbel C0 – C3 kommt es zu einer Verzahnung von Trigeminusafferenzen mit Afferenzen der Zervikalregion, welche anschließend dieselben aufsteigenden Bahnen zur Informationsweiterleitung ans Gehirn nutzen. Diese gemeinsame Verschaltung wird als „zerviko-trigeminale Konvergenz“ bezeichnet.

Direkt hinter dem Kiefergelenk setzt die tiefe Nackenmuskulatur (Suboccipitalmuskulatur) an, welche für die Propriozeption des gesamten Körpers von großer Bedeutung ist. Auch als „akzessorisches Sinnesorgan“ bezeichnet, befindet sich in diesem Teil der Muskulatur eine ca. einhundertmal so hohe Konzentration an Dehnungsrezeptoren wie in den meisten anderen Muskeln. Die Hauptaufgabe hierbei liegt in der Vermittlung der Position von Rumpf zu Kopf, der Lage des Körpers im Raum, der Muskelspannung sowie der Stellung der Gelenke an das zentrale Nervensystem. Eine Störung des kraniomandibulären Systems kann somit zu einer eingeschränkten Propriozeption führen [4-7].

Beispielhaft die Standanalyse eines Profisportlers, welche in Ruheschwebelage (RSL), in habitueller Okklusion (Habituell) und zum Vergleich mit einer äquilibrierenden Regenerationsschiene (Zentrikschiene) durchgeführt wurde. Als Messgröße wurde die Fläche der 95    %-Vertrauensellipse des Center of Foot Pressure (CoP) ermittelt. Die Fläche der Ellipse wird umso größer, je stärker der Schwerpunkt des Sportlers innerhalb der in diesem Fall 30-sekündigen Messung schwankt. Je kleiner also die Fläche der Ellipse, desto höher die Standstabilität.
Die Fläche der 95 %-Vertrauensellipse beträgt bei dieser Messung in RSL 113 mm² (links) und in habi­tueller Okklusion 241 mm² (rechts), jeweils verglichen mit der Regenerationsschiene (Druckmessplatte FDM, Zebris Medical GmbH, Isny, Deutschland). Die Standstabilität ist mit eingegliederter Schiene und somit unter Ausschluss des „gewohnten“ Neurofeedbacks des ggf. nicht optimalen habituellen Bisses mit 96 mm² am höchsten. Die Schiene wurde nach physiotherapeutischer Vorbehandlung, manueller Funktionsanalyse, ins-
trumenteller Funktionsanalyse (JMA, Fa. Zebris Medical GmbH, Isny, Deutschland) und zentrischer Kieferrelationsbestimmung digital angefertigt.

Fasziale Verbindungen

Als Faszien werden bindegewebigen Hüllen von Muskeln, Muskelgruppen oder auch ganzen Körperabschnitten bezeichnet, welche Teile der Regulation der Biomechanik des Körpers darstellen.

Beim Zusammenspiel des craniomandibulären Systems mit dem restlichen Körper ist die oberflächliche Rückenlinie (ORL) von besonderer Bedeutung (Abb. 2). Ausgehend von den Zehen zieht sie über die Plantarfaszie zur Achillessehne, von dort aus über das Fersenbein zum Knie, und weiter über die Hüfte zum Kreuzbein. Über die Rückenstrecker führt sie über Hals- und Nackenmuskulatur über den Schädel bis zu den Augenbrauen, wo sie ihren Ansatz findet.

Die ORL als anatomische Zuglinie vermittelt Bewegungen hauptsächlich in sagittaler Richtung, begrenzt also nach vorne gerichtete Bewegungen (Flexion) oder betont und hält nach hinten gerichtete Bewegungen (Extension).


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