Orofaziale Auswirkungen

Interdisziplinäre Beobachtungen aus der Praxis in Pandemiezeiten
Dr. Aneta Pecanov-Schröder, Bonn & Kathrin Schuldt, Hamburg

Die Welt ist noch immer von der Pandemie gezeichnet, auch wenn sich vielleicht das ein oder andere Problem inzwischen lösen ließ. Fast jeder hat seit dem Ausbruch von Corona einen veränderten Alltag mit zahlreichen Herausforderungen, die auf lange Sicht bei immer mehr Menschen auch im orofazialen System Spuren hinterlassen. Der folgende Beitrag möchte hierzu einen Eindruck vermitteln und lässt Kollegen aus der Praxis zu Wort kommen, die Interessantes zu berichten wissen – auch über den Tellerrand der Zahnmedizin und Kieferorthopädie hinaus.

Die Liste der alltäglichen Auswirkung der Pandemie ist lang: Kurzarbeit, Arbeitslosigkeit, Homeoffice mit Kinderbetreuung und Homeschooling, Existenzsorgen, Angst vor einer möglichen Infektion, fehlender Ausgleich durch Sport oder Sozialkontakte, Wegfallen ergonomischer Arbeitssituationen… Da ist es nicht verwunderlich, dass sich die daraus resultierenden Belastungen auch vermehrt in seelischen oder körperlichen Symptomen zeigen. Mit Sicht auf das orofaziale System treten aufgrund der Pandemie zum Beispiel Bruxismus oder craniomandibuläre Dysfunktionen (CMD) deutlich häufiger als bisher uf. Mit ihren Beobachtungen aus dem Praxisalltag lassen wir deshalb die Wiesbadener Zahnärztin Svenja Wollitz (M.D.Sc. „Craniomandibuläre Dysfunktion“) und PD Dr. M. Oliver Ahlers, Spezialist für Funktionsdiagnostik und -therapie (DGFDT) und Experte für Bruxismus und Zahnverschleiß aus Hamburg, nachfolgend zu Wort kommen. Dass in vielen Fällen aber oft nicht nur zahnmedizinische Aspekte im Vordergrund stehen, weiß die Osteopathin (BAO) Nina Bock aus Hamburg zu berichten. Sie gibt Einsicht in ihre ganzheitlichen Beobachtungen, ebenso wie die Physiotherapeutin Elena von Vietinghoff aus Bonn.

Deutlich angestiegen: CMD, Zahnverschleiß und -frakturen Die Menschen scheinen sich des Anstiegs von (seelischem) Stress bewusster zu werden, der sich auch orofazial manifestieren kann. Das zeigt eine Analyse von Google-Suchen US- und weltweit, die hierzu verstärktes Interesse und Informationsbedarf belegt: Ab Jahresmitte 2020 suchten Menschen deutlich häufiger im Internet nach „Bruxismus“, „Zähneknirschen“ und „Zähnepressen“ im Vergleich zu ähnlichen Daten aus vorangegangenen Jahren. Forschungen aus Israel und Polen belegen nicht nur das gestiegene Interesse an Informationen, sondern tatsächliche orale Auswirkungen: Eine Befragung von insgesamt 1792 Personen aus eben diesen Ländern ergab einen pandemiebedingten Anstieg und oft auch eine Verstärkung von Bruxismus- und CMD-Symptomen, was zu ausgeprägteren chronischen orofazialen Schmerzen führte. Aus den beiden Ländern scheinen besonders die weiblichen Probanden betroffen zu sein.

Ähnliche Ergebnisse präsentierte eine Umfrage der American Dental Association. Hier stellten 70 Prozent der befragten Zahnmediziner eine Zunahme von Bruxismus bei ihren Patienten fest. 60 Prozent der Zahnärzte gaben zudem an, dass sie häufiger auch andere vorwiegend stressassoziierte Auswirkungen wie Zahnfrakturen, Zahnverschleiß, CMD sowie Kopf- oder Kieferschmerzen beobachtet haben. Vermutete Folgen des Maskentragens wie Xerostomie oder Halitosis ließen sich aber nicht bestätigen. Ein amerikanischer Zahnarzt machte seine Beobachtungen in der New York Times öffentlich: Innerhalb von sechs Wochen sah er mehr Bruxismusfälle und damit verbundene Zahnfrakturen bei seinen Patienten als in den letzten sechs Jahren.



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Bildnachweis

Nina Bock