Praxisübernahme: Plötzlich Chef! – Do’s and dont’s zum Betriebsübergang
Die Praxisübernahme einer Einzelpraxis ist deutschlandweit die beliebteste Form der Existenzgründung. Ein nicht zu unterschätzendes Thema im Rahmen der Praxisübernahme ist der Umgang mit dem bestehenden Praxispersonal, welches oftmals aufgrund bereits langjähriger Praxiszugehörigkeit die Patienten kennt und mit den Praxisabläufen vertraut ist.
Betriebsübergang: Bestehendes Praxispersonal wird übernommen
Zunächst ist zu wissen, dass die Praxisübergabe im Verhältnis zum bestehenden Personal einen sog. Betriebsübergang im Sinne von § 613a Abs. 1 BGB darstellt. Das bedeutet, dass der Praxisnachfolger in alle Rechte und Pflichten aus den bestehenden Arbeitsverhältnissen eintritt. Der Praxisnachfolger übernimmt das gesamte vorhandene Praxispersonal und zwar grundsätzlich auch zu unveränderten Konditionen. Ist die Praxisübernahme beschlossene Sache, müssen die Mitarbeiter entweder durch den bisherigen Arbeitgeber oder durch den neuen Arbeitgeber – am besten durch beide gemeinsam – vor dem Praxisübergang schriftlich hierüber unterrichtet werden und haben das Recht, dem Übergang ihres Arbeitsverhältnisses zu widersprechen. Widersprechen Mitarbeiter dem Übergang, bedeutet dies, dass das Arbeitsverhältnis mit dem bisherigen Praxisinhaber bestehen bleibt. Der bisherige Praxisinhaber hätte dann nur die Möglichkeit das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen ordentlich zu kündigen, wenn er z.B. aus Altersgründen auch keine zahnärztliche Tätigkeit weiterhin ausführen wird und daher keine entsprechenden Tätigkeiten anbieten kann.
Do: Das bestehende Personal muss schriftlich über den Übergang der Arbeitsverhältnisse informiert werden.
Alle Arbeitsverträge gehen auf den neuen Praxisinhaber über
Widersprechen die Mitarbeiter nicht gegen die Praxisübernahme, geht das Arbeitsverhältnis 1:1 auf den neuen Praxisinhaber über. Der neue Praxisinhaber ist an die Rechte und Pflichten aus dem vor seiner Zeit abgeschlossenen Arbeitsvertrag genauso gebunden wie auch die Mitarbeiter. Alle Regelungen aus dem Arbeitsvertrag wie z.B. Arbeitszeit, Gehalt und Urlaubstage gelten weiterhin. Auch an bereits bestehende Vereinbarungen zu prozentualen Umsatzbeteiligungen für zahnärztliche Mitarbeiter oder auch Prophylaxehelferinnen sowie sonstige Gratifikationen, die vertraglich vereinbart oder aufgrund betrieblicher Übung im Laufe der Zeit Teil des Arbeitsverhältnisses geworden sind, bleibt der neue Praxisinhaber gebunden. Gerade deswegen ist es für den Praxiskäufer wichtig, dass er sich vor dem Praxiskauf alle Arbeitsverträge vorlegen lässt, um sich ein genaues Bild über seine Rechte und Pflichten als neuer Arbeitgeber machen zu können. Eine Kündigung der Mitarbeiter durch den alten oder neuen Chef wegen der Praxisübernahme ist nämlich unwirksam.
Do: Praxiskäufer sollten die bestehenden Arbeitsverträge vor dem Kauf kennen.
Dont: Das bestehende Praxispersonal darf nicht aus Anlass des Praxisverkauf gekündigt werden.
Änderungen der Arbeitsverträge durch den neuen Praxisinhaber
Widersprechen die Mitarbeiter dem Übergang nicht, stellt sich häufig für den neuen Praxisinhaber die Frage, ob er Arbeitsverträge nach seinen Vorstellungen anpassen kann, zumal die Kündigung aufgrund bzw. wegen der Praxisübernahme ausgeschlossen ist. Eine Kündigung aufgrund vorgeschobener Kündigungsgründe haben wenig Aussicht auf Erfolg. Kündigungen, die zumindest einen zeitlichen Zusammenhang zur Praxisübernahme aufweisen, werden besonders kritisch bewertet, so dass fraglich ist, ob diese im Falle einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung Bestand haben. Ob im Einzelfall doch Gründe für eine wirksame Kündigung vorliegen, sollte daher sorgfältig geprüft werden. Da einzelne Vertragsbestandteile nicht einseitig vom Arbeitgeber abgeändert werden dürfen, vor allem wenn der Arbeitnehmer dadurch schlechter gestellt wird als vorher, besteht häufig nur die Möglichkeit sich mit den betroffenen Mitarbeitern zusammen zu setzen und einen neuen Arbeitsvertrag auszuhandeln (Änderungsvertrag).
Do: Änderungen des Arbeitsvertrages sind Verhandlungssache.
Don’t: Vorgeschobene Kündigungsgründe halten einer gerichtlichen Überprüfung in aller Regel nicht Stand.
Bedeutung des bestehenden Personals für den Praxiserfolg
Gute Mitarbeiter sind häufig von großer Bedeutung für den weiteren Praxiserfolg. Da der neue Praxisinhaber oft weder die Patienten noch die Praxisabläufe kennt, stellt für ihn das bestehende Personal einen Gewinn dar, wenn es sich um ein funktionierendes, erfahrenes Team mit guten Strukturen im Praxisalltag handelt. Daher sollten Praxiskäufer sich möglichst frühzeitig mit dem bestehenden Personal der Praxis beschäftigen und neben den Arbeitsverträgen auch die Mitarbeiter und die Praxisabläufe kennenlernen.
Do: Erfahrene Mitarbeiter und gute Praxisabläufe haben einen hohen Stellenwert für den zukünftigen Praxiserfolg.
Praxistipp:
Sowohl Praxisverkäufer als auch Praxiskäufer sollten die Bedeutung der arbeitsrechtlichen Strukturen der Praxis nicht unterschätzen. Praxisverkäufer sollten darauf achten, dass Praxisverträge sorgfältig ausgearbeitet, schriftlich geschlossen und auf dem aktuellen Stand sind und den (arbeits-)rechtlichen Anforderungen genügen. Praxiskäufer hingegen sollten vor der Kaufentscheidung sämtliche Arbeitsverträge sowie die sonstigen arbeitsrechtlichen Verpflichtungen kennen und prüfen, welche Verpflichtungen mit der Übernahme der Praxis auf ihn zukommen. Besteht Einigung über die Praxisübernahme, sollte der Praxiskäufer schon vor dem Stichtag Mitarbeiter und Praxisabläufe kennenlernen. Dann steht einem erfolgreichen Übergang vom alten auf den neuen Chef nichts im Wege.