Schienentherapie bei CMD-Problematik? – Ja, das geht.

Bisseinstellung bei einem erwachsenen Patienten mit lateral/retralem Zwangsbissund CMD-Beschwerden – Ein Whitpaper zur Behandlung mit Invisalign®

Dr. Andrea Freudenberg, Daniel Fuchs, Weinheim

Anamnese
Der 26-jährige Patient stellte sich im September 2016 mit Verspannungen im Kopf-, Hals- und Rückenbereich in der Praxis vor. Da er diese Verspannungen auf seine Zähne und seinen Biss zurückführte, wünschte er eine kieferorthopädische Korrektur der Fehlstellungen. Durch das Aussehen seiner Zähne fühlte sich der Patient nicht gestört oder beeinträchtigt. Zudem berichtete er über regelmäßiges Knirschen sowie Knacken und Schmerzen im Bereich der Kiefergelenke bei Verspannung.

Diagnostik
Extraoral war eine leichte Asymmetrie des UK nach rechts zu erkennen (extraorale Bilder des Patienten wurden leider nicht zur Veröffentlichung freigegeben). Intraoral zeigten sich ausgeprägte Engstände im Ober- und Unterkiefer, eine rechtsseitige Distalverzahnung von 1/4 PB mit entsprechender Mittellinienverschiebung nach rechts, ein frontal vertiefter Biss mit Kreuzbiss von 13/ 42,43. Auffällig war die ausgeprägte Diskrepanz zwischen habituell eingenommener Okklusion (IKP) und Myozentrik.

In Myozentrik bestand nur ein Vorkontakt auf 13 und 21, die Mittellinie zwischen Oberkiefer und Unterkiefer stimmte. Dann erfolgte eine leichte Abgleitbewegung des UK nach rechts und retral, um die IKP einzunehmen. Die Abbildungen 1.1 – 1.3 zeigen die habituell eingenommene Okklusion und in den Abbildungen 2.1 – 2.3 ist die muskelgeführte Kieferrelation zu sehen. Der beidseits  deutlich offene Biss zeigt die große Diskrepanz zwischen beiden Positionen, hervorgerufen durch den deutlichen Vorkontakt an 13 und 21.

Diese ausgeprägte und asymmetrische Diskrepanz zwischen geführter Myozentrik und IKPar für uns der Therapieansatz, die Allgemeinsymptomatik des Patienten durch eine kieferorthopädische Behandlung verbessern zu können. Therapieziel war, IKP und Myozentrik anzugleichen, bzw. den lateral/retralen Zwangsbiss des Unterkiefers aufzulösen.

Therapie
Eine Vorbehandlung mit einer Aufbissschiene zur Ermittlung und Habitualisierung der Myozentrik wurde nicht durchgeführt. Dieses hätte zu einer zu großen Bisserhöhung geführt. Für die erste hypothetische myozentrische Bissermittlung begab sich der Patient in osteopathische Behandlung bei einer Therapeutin, die idealerweise in unseren Räumlichkeiten praktiziert. In der Nacht vor und auch während der osteopathischen Behandlung trug er einen Aqualizer®. Direkt daran anschließend folgte die Bissnahme.

Da keine Vorbehandlung mittels Aufbissschiene stattfinden konnte, war geplant, dass das Procedere zur myozentrischen Bissermittlung mindestens ein zweites, wenn nicht sogar ein drittes Mal durchgeführt werden würde, mit jeweils anschließenden zusätzlichen Alignern für die Bisseinstellung. Im ersten Behandlungsplan mit 31 Alignerpaaren erfolgte die Ausformung beider Kiefer, und ein virtueller Bissschluss wurde mittels vertikalem jump von 2 mm simuliert. Schienentragezeit war damals immer noch zwei Wochen.

Im ersten Refinement, für das erneut eine myozentrische Bissermittlung mit osteopathischer Hilfe durchgeführt wurde, erfolgte die geplante Bisshebung durch Extrusion aller Seitenzähne und Frontzahnintrusion vor allem der Unterkieferfrontzähne mit acht Alignern. Es wurden hierfür alle Attachments erneuert.